Finanzgericht Münster verweigerte Aussetzung der Vollziehung
DILL-NEWSLETTER 11/2024: Finanzgericht Münster verweigerte Aussetzung der Vollziehung
Hin und Her bei der Grundsteuer geht weiter
Zum Jahreswechsel wird die neue Grundsteuer fällig. Doch nach wie vor bleibt unklar, ob die umstrittene Reform bzw. vor allem das so genannte Bundesmodell juristisch überhaupt standhält. Das Finanzgericht Münster sah jedenfalls kein besonderes Interesse eines Steuerpflichtigen, das die so genannte Aussetzung der Vollziehung (AdV) rechtfertigen würde.
„In seinem Urteil betonte das Finanzgericht Münster, dass für die Aussetzung der Vollziehung der Grundsteuerwertfeststellung ein besonderes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen erforderlich ist“, fasst Steuerberater Wolfgang Dill aus Limburg den entscheidenden Punkt zusammen. Ein solches besonderes Interesse konnte das Gericht im Streitfall jedoch nicht feststellen (FG Münster, Beschluss vom 29. Oktober 2024, Az. 3 V 1270/24 Ew,F; Beschwerde beim Bundesfinanzhof zugelassen).
Grundsteuerwertermittlung verfassungswidrig?
Der Antragsteller war Berechtigter eines durch Bebauung ausgenutzten Teilerbbaurechts. Hierfür erließ das Finanzamt eine Grundsteuerwertfeststellung auf den 1. Januar 2022 und setzte zugleich den Grundsteuermessbetrag auf den 1. Januar 2025 fest. Über die vom Antragsteller eingelegten Einsprüche war bisher nicht entschieden worden. Nachdem der außergerichtliche Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erfolglos blieb, beantragte der Antragsteller diese Aussetzung bei Gericht. Zur Begründung trug er vor, dass das neue Recht zur Grundsteuerwertermittlung verfassungswidrig sei. „Diese Meinung ist höchstgerichtlich noch nicht bestätigt, aber in der Tat bestehen aktuell ernsthafte Zweifel“, erklärt Steuerberater Dill mit Blick auf einen Beschluss des Bundesfinanzhofs im Frühjahr dieses Jahres.
Gericht sah kein besonderes Aussetzungsinteresse
Der 3. Senat des Finanzgerichts Münster lehnte den Antrag aber ab. Dabei ließ der Senat offen, ob im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide aufgrund einer möglichen Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlagen zur Grundsteuerwertfeststellung bestehen. Dem Antragsteller habe es jedenfalls an einem das öffentliche Interesse am Gesetzesvollzug überwiegenden besonderen Aussetzungsinteresse gefehlt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erfordere die Aussetzung der Vollziehung bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit eines dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes grundsätzlich, dass ein besonderes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehe. Diesem Interesse müsse zudem Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommen, heißt es in einer zum Beschluss gehörenden Mitteilung des Gerichts. Im Rahmen der Interessenabwägung komme es auf zwei Aspekte an: einerseits auf die Bedeutung des durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung der Vollziehung für den Gesetzesvollzug sowie das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung.
Öffentliches Interesse am Gesetzesvollzug
Vorliegend sei dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers kein Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Gesetzesvollzug einzuräumen gewesen. Die Grundsteuerwertfeststellung sowie die Grundsteuermessbetragsfestsetzung würden nicht zu drohenden irreparablen Nachteilen des Antragstellers führen. „Demgegenüber sah das Gericht aber ein hohes öffentliches Interesse am Gesetzesvollzug – nämlich zur Sicherung einer geordneten Haushaltsführung“, erläutert Steuerexperte Dill. Denn eine faktische Außerkraftsetzung der so genannten Grundsteuer B würde im Geltungsbereich des so genannten Bundesmodells für einen nicht absehbaren Zeitraum zu Einnahmeausfällen der hebeberechtigten Kommunen in Milliardenhöhe führen. So hätten sich im Jahr 2023 die Einnahmen aus der Grundsteuer B auf ca. 15,08 Milliarden Euro belaufen.
Auch bei der im Streitfall konkret hebeberechtigten Gemeinde mache die Grundsteuer 15% der gesamten kommunalen Einnahmen aus und sei damit von erheblicher Bedeutung. Es sei derzeit nicht ersichtlich, dass die Kommune die konjunkturunabhängigen Grundsteuereinnahmen durch konjunkturabhängige Steuern (Gewerbesteuer; Anteil Einkommen- und Umsatzsteuer) kompensieren könne. Aufgrund der Konjunkturunabhängigkeit und der eigenen Hebesatzkompetenz sei die Grundsteuer zudem die einzige Einnahmequelle, die die Kommune planbar selbst steuern könne.
Die Büchse der Pandora geschlossen halten?
Für die Gewichtung des öffentlichen Interesses könne der vorläufige Rechtsschutz auch nicht auf einzelne Steuerpflichtige beschränkt werden. Vielmehr sei zu erwarten, dass bei Häufungen stattgebender Aussetzungsbeschlüsse eine Vielzahl der Steuerpflichtigen ebenfalls unter Zuhilfenahme von Musteranträgen gerichtliche Aussetzung der Vollziehung beantragen werde. „Die Richter befürchteten also, mit einer Entscheidung im Sinne des Steuerpflichtigen die sprichwörtliche Büchse der Pandora zu öffnen“, sagt Steuerberater Dill. Angesichts des oben genannten BFH-Beschlusses ist allerdings fraglich, ob die Büchse nicht schon längst offen steht…
Was können Sie tun?
Bleiben Sie beim Thema Grundsteuer auf dem Laufenden!
Der Beschluss des Finanzgerichts Münster zeigt einmal mehr: Haus- und Grundeigentümer sollten die weiteren Entwicklungen zur Grundsteuer nach dem Bundesmodell genau verfolgen. Je nach Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werden die Karten vielleicht noch einmal neu gemischt. Wir halten Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden – und helfen bei individuellen Fragen gerne weiter: kontakt/at/steuerberater-dill.de
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