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BFH bestätigt das Bundesmodell

DILL-NEWSLETTER 12/2025: BFH bestätigt das Bundesmodell

Der Streit um die Grundsteuer könnte vor dem Verfassungsgericht landen

BFH bestätigt das Bundesmodell: Der Streit um die Grundsteuer könnte vor dem Verfassungsgericht landen

Das so genannte Bundesmodell zur Erhebung der Grundsteuer ist in den Augen des Bundesfinanzhofs (BFH) verfassungsgemäß – trotz Kritik an den Bewertungsungenauigkeiten. Haus & Grund sowie der Bund der Steuerzahler wollen nun eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht unterstützen.

Der Bundesfinanzhof hat in drei Verfahren zur Grundsteuer das so genannte Bundesmodell bestätigt (BFH, Az. II R 25/24, Az. II R 31/24 und Az. II R 3/25). „Die Richter sehen die Bewertung nach dem Ertragswertverfahren, das in elf Bundesländern genutzt wird, als verfassungskonform an“, berichtet Steuerberater Wolfgang Dill aus Limburg. Die Kläger aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin hatten umfassende verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht. Sie sahen unter anderem einen Kompetenzmangel des Bundes, unzureichende Bestimmung des Belastungsgrunds sowie erhebliche Ungleichbehandlungen durch ungenaue Bodenrichtwerte und pauschalierte Nettokaltmieten.

In welchen Bundesländern gilt das Bundesmodell?

Das Bundesmodell zur Erhebung der Grundsteuer gilt in der Mehrzahl der Bundesländer. Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen haben von der Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und die Bewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer landesgesetzlich geregelt. Saarland, Sachsen und Berlin nutzen zwar das Bundesmodell, haben die Öffnungsklausel aber genutzt, um vom Bundesgesetz abweichende Steuermesszahlen einzuführen.

BFH: Formell und materiell verfassungsgemäß

Der BFH wies diese Argumentation zurück. Die Richter halten das Grundsteuerreformgesetz (GrStRefG) formell für verfassungsgemäß. Maßgeblich sei, dass der Bund seit einer Grundgesetzänderung 2019 eine uneingeschränkte konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besessen habe. Auch eine so genannte Ermessensunterschreitung liege nicht vor.

Im Zentrum der materiellen Prüfung stand der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesmodell arbeitet bewusst mit typisierten Bodenrichtwerten sowie pauschalierten Nettokaltmieten. Der BFH stellte klar:

  • Der Gesetzgeber darf typisieren, pauschalieren und sich am Regelfall orientieren.
  • Bewertungs- und Ermittlungsspielräume sind verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie der Praktikabilität und einem funktionierenden Massenverfahren dienen.
  • Entscheidend ist, dass das System im Durchschnitt einen hinreichend realitätsnahen Verkehrswertkorridor abbildet.

Der BFH wies darauf hin, dass das neue System auf eine weitgehend automatisierte Bewertung von 36 Millionen Grundstücken ausgelegt sei. „Die Richter meinen, dass der Gesetzgeber für ein praktikables, automatisiert fortschreibbares Verfahren durchaus Bewertungsungenauigkeiten in Kauf nehmen darf“, erläutert Steuerberater Dill die Sichtweise des Gerichts.

Dementsprechend verstoßen typisierte Bodenrichtwerte in den Augen der obersten deutschen Finanzrichter auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Zwar seien Abweichungen im Einzelfall möglich – zulässig seien bis zu 30 Prozent –, jedoch basiere das System auf der Kaufpreissammlung (§ 196 Abs. 1 Satz 1 BauGB) der Gutachterausschüsse und damit auf Marktdaten. Objektbezogene Ungenauigkeiten seien systembedingt, aber verfassungsrechtlich hinnehmbar, so der BFH.

Bodenrichtwerte und Nettokaltmieten akzeptiert

Gleiches gilt für die pauschalen Nettokaltmieten, die teilweise zu Verzerrungen führen. Diese seien aber durch das Ziel eines vereinfachten Vollzugs gerechtfertigt, stellten die Richter klar. Zusätzlich bestehe die Möglichkeit, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, wenn der Grundsteuerwert mehr als 40 Prozent darüber liegt.

Möglicher Nachweis: ein Verkehrswertgutachten

Eigentümer können einen niedrigeren Wert ihres Grundstücks in der Regel mit einem Verkehrswertgutachten nachweisen. Dazu gibt es einen aktuellen Beschluss des Finanzgerichts Baden-Württemberg. Es entschied: Setzt das Finanzamt den Grundsteuerwert offenkundig zu hoch an und bestätigt ein im Klageverfahren vorgelegtes Verkehrswertgutachten die Überbewertung, muss das Amt die Verfahrens- und Gutachterkosten tragen. Denn wenn der Steuerpflichtige die Kosten tragen müsste, könnte ihn das davon abhalten, von seinem Recht auf einen Nachweis eines geringeren Werts Gebrauch zu machen. Dies hielt das Finanzgericht für nicht vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf effektiven Rechtsschutz. (FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Oktober 2025, Az. 8 K 626/24).

Der BFH räumte zwar auch an dieser Stelle ein, dass die vom Gesetzgeber gewählten pauschalen Nettokaltmieten unstrittig zu Wertabweichungen innerhalb eines Bundeslands oder sogar einer Stadt führen können. Alternative Methoden, wie etwa die regelmäßige Erhebung der tatsächlichen Mieten, würden aber eine enorme Vollzugslast für den Staat bedeuten.

„Nach Auffassung der Richter hat daher der Gesetzgeber hinsichtlich des Ertragswertverfahrens seinen Spielraum bei der Abwägung der mit dem Bewertungskonzept verfolgten Ziele mit den damit notwendig verbundenen Ungleichheiten nicht überschritten“, so Steuerexperte Dill. Insbesondere durfte der Gesetzgeber dem vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Ziel eine hohe Bedeutung beimessen, einen erneuten „Bewertungsstau“ – der die Grundsteuer-Reform überhaupt erst notwendig gemacht hatte – zu vermeiden, indem die künftigen periodischen Fortschreibungen automatisiert durchgeführt werden.

Haus & Grund: Entscheidung überzeugt in der Sache nicht

Haus & Grund Deutschland und der Bund der Steuerzahler (BdSt) kündigten unmittelbar nach Veröffentlichung der Entscheidungen an, eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe unterstützen zu wollen. „Die Entscheidung des BFH ist zu respektieren, aber sie überzeugt uns in der Sache nicht“, sagte der Präsident von Haus & Grund Deutschland, Kai Warnecke. „Die neue Grundsteuer ist für viele Bürger komplexer, teurer und ungerechter geworden. Wir werden deshalb die verfassungsrechtliche Prüfung der Grundsteuer in Karlsruhe vorantreiben“, erklärte Warnecke. BdSt-Präsident Reiner Holznagel betonte: „Viele Steuerzahler erleben die Reform als XXL-Belastung. Wenn der BFH hier keine Grenzen setzt, sollte nun das Bundesverfassungsgericht prüfen, ob das Bundesmodell mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist.“

Die Verbände verwiesen unter anderem auf erhebliche Mehrbelastungen in zahlreichen Städten und Gemeinden, obwohl die Reform politisch als aufkommensneutral angekündigt worden war. Zugleich kritisierten sie die starke Abhängigkeit von Bodenrichtwerten und pauschalierten Nettokaltmieten, die insbesondere Objekte in gefragten Lagen massiv verteuern. Warnecke: „Was Bürger zahlen, hängt immer stärker vom zufälligen Bodenrichtwert und vom Wohnort ab als von nachvollziehbaren Maßstäben. Das ist wohnungspolitisch schädlich und politisch kaum vermittelbar.“ Holznagel ergänzte: „Die Grundsteuer droht zum intransparenten Flickenteppich zu werden. Genau das wollen wir mit unserer Verfassungsbeschwerde verhindern.“

Parallel dazu laufen auch gegen einige Ländermodelle noch anhängige Verfahren beim BFH. Eine Übersicht dazu finden Sie hier.

Grundsteuer B in Nordrhein-Westfalen: Verwaltungsgericht kippt differenzierte Hebesätze

Neben dem Streit um das Bundesmodell besteht ein weiterer Konflikt zu den unterschiedlichen Grundsteuerhebesätzen für Wohngrundstücke und Nichtwohngrundstücke. Die Möglichkeit zur Differenzierung stand Kommunen in Nordrhein-Westfalen (und weiteren Bundesländern) bislang offen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat differenzierte Hebesätze nun aber für rechtswidrig erklärt.

Die von den Städten Bochum, Essen, Dortmund und Gelsenkirchen festgelegten höheren Hebesätze zur Bestimmung der Grundsteuer für in der jeweiligen Gemeinde liegende Nichtwohngrundstücke verstoßen gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Darauf basierende Grundsteuerbescheide sind rechtswidrig, so das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Urteile vom 4. Dezember 2025, Az. 5 K 2074/25 / Essen, Az. 5 K 3234/25 / Bochum, Az. 5 K 3699/25 / Dortmund und Az. 5 K 5238/25 / Gelsenkirchen).

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Kammer hat die Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen und die Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Was können Sie tun?

Holen Sie im Zweifel ein Gutachten ein!

Falls das Finanzamt ein Grundstück deutlich zu hoch bewertet hat, können Eigentümer mit einem Verkehrswertgutachten möglicherweise einen niedrigeren Wert nachweisen. Kostengünstig erhältlich ist das etwa bei lokalen Gutachterausschüssen. Deren Gutachten weisen in der Regel zudem differenziertere Bodenrichtwerte ausweisen, die zu genaueren Bewertungsergebnissen führen. Wir beraten Sie gerne im Vorfeld zu Ihren Möglichkeiten rund um den Grundsteuerbescheid: kontakt/at/steuerberater-dill.de

Foto: Andrey Popov / AdobeStock