Finanzämter sollen großzügig sein
DILL-NEWSLETTER 11/2022: Steuerliche Billigkeitsmaßnahmen wegen der gestiegenen Energiekosten
Finanzämter sollen großzügig sein
Die gestiegenen Energiekosten bringen manchen privaten Haushalt, aber auch viele Unternehmen in Zahlungsnöte. In dieser Situation sollen die Menschen zumindest keine zusätzlichen Sorgen vorm Finanzamt – oder noch Schlimmeren, einer Insolvenz – haben müssen. Das Bundesfinanzministerium sowie die obersten Finanzbehörden der Länder haben daher einige steuerliche Maßnahmen beschlossen, die betroffenen Steuerpflichtigen und Unternehmen helfen sollen.
„Die Verhältnisse und Entwicklungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten belasten die finanzielle Situation von Privatpersonen und Unternehmen im Moment sehr“, weiß Steuerberater Wolfgang Dill aus Limburg. Daher sollen die Finanzämter die ihnen gesetzlich zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume bei der Einkommen- oder Körperschaftsteuer im Interesse der erheblich betroffenen Steuerpflichtigen wohlwollend nutzen (BMF, Schreiben vom 5. Oktober 2022, Gz. IV A 3 – S 0336/22/10004 :001).
Das heißt: Ohne strenge Nachweispflichten sollen im Einzelfall auf Antrag
- fällige Steuern gestundet,
- Vorauszahlungen angepasst sowie
- Vollstreckungsaufschub gewährt
werden.
Keine allzu strengen Anforderungen an Antrag auf Anpassung der Vorauszahlungen
Nach dem BMF-Schreiben ist in jedem Einzelfall unter Würdigung der entscheidungserheblichen Tatsachen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, inwieweit die Voraussetzungen für eine der oben genannten steuerlichen Billigkeitsmaßnahmen vorliegen. „Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen soll das Finanzamt bei bis zum 31. März 2023 eingehenden Anträgen keine strengen Anforderungen stellen“, erklärt Steuerexperte Dill.
Außerdem soll das Amt über Anträge auf Billigkeitsmaßnahmen oder Anpassung der Vorauszahlungen unter Einbeziehung der aktuellen Situation möglichst zeitnah entscheiden. „Auch eine rückwirkende Herabsetzung von Vorauszahlungen für das Jahr 2022 ist im Rahmen der Ermessensentscheidung möglich“, führt der Limburger Steuerberater aus.
Verzicht auf Stundungszinsen möglich – wenn vorher die Zahlungsmoral stimmte
Das Finanzamt kann aus Billigkeitsgründen im Einzelfall ebenfalls auf die Erhebung von Stundungszinsen verzichten. Voraussetzung hierfür ist laut BMF u.a., dass der Steuerpflichtige seinen steuerlichen Pflichten, insbesondere seinen Zahlungspflichten, bisher pünktlich nachgekommen ist. Außerdem darf er in der Vergangenheit nicht wiederholt Stundungen und Vollstreckungsaufschübe in Anspruch genommen haben.
„Nicht zum Verhängnis werden sollen einem Steuerpflichtigen dabei aber vorherige Billigkeitsmaßnahmen aufgrund der Corona-Krise“, zeigt sich Wolfgang Dill erleichtert. Diese dürfe das Finanzamt nicht zu seinen Lasten berücksichtigen. In diesen Fällen kommt ein Verzicht auf Stundungszinsen in der Regel in Betracht, wenn die Billigkeitsmaßnahme für einen Zeitraum von nicht mehr als drei Monaten gewährt wird.
Gewerbesteuer: Erleichterung für Unternehmen
Der Krieg in der Ukraine und die EU-Sanktionen gegen Russland haben teilweise schwerwiegende Folgen für Unternehmen in Deutschland. Darauf reagierten die obersten Finanzbehörden der Länder mit einem so genannten gleich lautenden Erlass (vom 20. Oktober 2022), der einige Erleichterungen für Unternehmen vorsieht. Insbesondere geht es hier unter Berücksichtigung der gestiegenen Energiekosten um Maßnahmen, die die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für Zwecke der Vorauszahlungen betreffen (nach § 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG).
Anpassung der Vorauszahlungen
Nach dem Gewerbesteuergesetz kann auch das Finanzamt bei Kenntnis veränderter Verhältnisse hinsichtlich des Gewerbeertrags für den laufenden Erhebungszeitraum die Anpassung der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen veranlassen. „Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen das Finanzamt Einkommensteuer- und Körperschaftsteuervorauszahlungen anpasst“, erläutert Steuerberater Dill.
Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen sollen die Finanzämter bei bis zum 31. März 2023 eingehenden Anträgen keine strengen Anforderungen stellen. Über Anträge auf Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für Zwecke der Vorauszahlungen soll zeitnah entschieden werden. „Ähnlich wie bei Einkommen- oder Körperschaftsteuer soll auch bei der Gewerbesteuer eine rückwirkende Anpassung des Messbetrags für das Jahr 2022 im Rahmen der Ermessensentscheidung möglich sein“, freut sich der Limburger Steuerexperte. Nimmt das Finanzamt eine Festsetzung des Messbetrags vor, ist die betreffende Gemeinde hieran bei der Festsetzung ihrer Gewerbesteuer-Vorauszahlungen gebunden (§ 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG).
Schwierige Lage auf Energie- und Rohstoffmärkten: Unnötige Insolvenzen verhindern
Die schwer berechenbare Entwicklung der Preise macht Unternehmen vor allem eine vorausschauende Planung ihrer Kosten schwierig. Im Hinblick auf diese anhaltenden Unsicherheiten will die Bundesregierung verhindern, dass Unternehmen, die im Grunde gesund sind, in die Insolvenz gedrängt werden.
Kürzung des Prognosezeitraums
Dazu soll der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung verkürzt werden. „Eine Überschuldung kommt nach geltendem Recht dann in Betracht, wenn eine Unternehmensfortführung über einen Zeitraum von zwölf Monaten nicht hinreichend wahrscheinlich ist“, erklärt Steuerberater Wolfgang Dill. Diese Zeitspanne soll nun vorübergehend auf vier Monate herabgesetzt werden. Damit würden Unternehmen in der aktuell wirtschaftlich schwierigen Lage der Pflicht entgehen, einen Insolvenzantrag stellen zu müssen, wenn ihre Fortführung zumindest für vier Monate hinreichend gesichert ist.
Verlängerung der Antragsfrist
Zudem soll überschuldeten, aber noch nicht zahlungsunfähigen Unternehmen mehr Zeit für eine Sanierung verschafft werden. Daher wird die Frist für die Insolvenzantragstellung vorübergehend von sechs auf acht Wochen verlängert.
Der Bundesrat hat das hierzu von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Gesetz gebilligt. Dieses dient der Umsetzung einer Maßnahme aus dem dritten Entlastungspaket. Die Regelungen sollen schnellstmöglich in Kraft treten und bis zum 31. Dezember 2023 gelten.
Was können Sie tun?
Prüfen Sie, ob Billigkeitsmaßnahmen für Sie in Frage kommen!
Ob Einkommen-, Körperschaft- oder Gewerbesteuer: Die vom Bundesfinanzministerium und den obersten Finanzbehörden der Länder beschlossenen Billigkeitsmaßnahmen können Steuerpflichtigen und Unternehmen das Leben etwas leichter machen. Wir beraten Sie gerne, ob –und wenn ja: welche – der genannten Maßnahmen für Sie Sinn machen: kontakt/at/steuerberater-dill.de
Fotos: Stundung: studio v-zwoelf / Insolvenzantrag: Birgit Reitz-Hofmann / alle AdobeStock