Steuerermäßigung für ausgezahlte Überstunden
DILL-NEWSLETTER 06/2022: Zusammengeballte Einkünfte
Steuerermäßigung für ausgezahlte Überstunden
Überstunden gehören in vielen Branchen wohl oder übel zum Berufsalltag der Arbeitnehmer. In manchen Fällen gibt es hierfür einen Freizeitausgleich, manchmal zahlt der Arbeitgeber die Überstunden aus. Eine solche Auszahlung kann jedoch zu Ärger mit dem Finanzamt führen, wie ein aktueller Fall vor dem Bundesfinanzhof zeigt.
Klar ist: „Die Auszahlung von Überstunden erhöht das Jahreseinkommen, worauf dann entsprechend dem persönlichen Steuersatz auch Steuern fällig sind“, erklärt Steuerberater Wolfgang Dill aus Limburg. Dieser Steuersatz kann sich dadurch unter Umständen sogar erhöhen. Denn in Deutschland muss jemand, der wenig verdient, einen niedrigeren Prozentsatz seines Einkommens versteuern als jemand, der viel verdient.
Das es das Finanzamt dabei aber auch übertreiben kann, zeigte ein aktueller Streitfall vor dem Bundesfinanzhof (BFH). Hierbei hatte ein Arbeitnehmer über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg in erheblichem Umfang Überstunden geleistet. Erst im vierten Jahr vergütete ihm der Arbeitgeber (im Rahmen einer Aufhebung des Arbeitsvertrags) die Überstunden in einer Summe. Das Finanzamt unterwarf die Überstundenvergütung dem normalen Einkommensteuertarif. Dagegen klagte der Arbeitnehmer.
Ermäßigter Steuersatz bei Zeitraum von mehr als zwölf Monaten
Der Bundesfinanzhof – wie zuvor schon das Finanzgericht – gab ihm Recht. Die obersten deutschen Finanzrichter entschieden, dass nachgezahlte Überstundenvergütungen, die für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden, mit einem ermäßigten Steuersatz zu besteuern sind (BFH, Urteil vom 2. Dezember 2021, Az. VI R 23/19;).
Die Richter stellten klar, dass die Tarifermäßigung nicht nur auf die Nachzahlung von Festlohnbestandteilen, sondern auch auf Nachzahlungen von variablen Lohnbestandteilen – hier also in Form der Überstundenvergütungen – Anwendung findet. „Hier wie dort ist allein entscheidend, ob die nachgezahlte Vergütung für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet worden ist“, so Steuerexperte Dill.
Entscheidung mit Blick auf den Progressionseffekt
Der Bundesfinanzhof hatte dabei vor allem den Progressionseffekt im Blick. „Mit steigendem Einkommen erhöht sich die Einkommensteuer nämlich progressiv“, erläutert der Limburger Steuerberater. Werden Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit nicht laufend, sondern in einer Summe ausgezahlt, führt das zu einer – auch vom Gesetzgeber nicht gewollten – Steuer(mehr)belastung im Jahr der Auszahlung.
Um die progressive Wirkung des Einkommensteuertarifs bei dem zusammengeballten Zufluss von Lohnnachzahlungen zu mildern, sieht das Gesetz daher die Besteuerung dieser Nachzahlungen mit einem ermäßigten Steuersatz vor. Im Sinne des Gesetzes handelt es sich hierbei nämlich um außerordentliche Einkünfte (gemäß § 34 Einkommensteuergesetz – EStG). „Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Nachzahlung sich auf die Vergütung für eine Tätigkeit bezieht, die sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst“, erklärt Wolfgang Dill. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann eine einmalige, hohe Einnahme steuerlich so behandelt werden, als erhielte der Empfänger diese gleichmäßig auf die nächsten fünf Jahre verteilt.
Sonderfall bei gesetzlichen Zuschlägen auf Überstunden
Übrigens: „Einen Sonderfall bilden Zuschläge für Überstunden, die man während Feiertags-, Wochenend- oder Nachtarbeit leistet“, sagt Steuerexperte Dill. Hier greifen nämlich bestimmte Steuerfreibeträge (§ 3b EStG). Diese gelten nicht nur für den regulären Lohn, sondern eben auch für ausbezahlte Überstunden. Allerdings gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf solche Zuschläge. Sie müssten im Arbeits- oder Tarifvertrag vorgesehen sein.
Was können Sie tun?
Lassen Sie sich vor einer Auszahlung von Überstunden steuerlich beraten!
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Zuflusszeitpunkt für die Auszahlung von Überstunden so zu wählen, dass entweder ein nur sehr geringer Steuersatz anfällt oder dass die Überstundenvergütung ermäßigt nach der so genannten Fünftelmethode besteuert wird. Wir beraten Sie dazu gerne: kontakt/at/steuerberater-dill.de
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