Zaubern können muss ein Erbe nicht
DILL-NEWSLETTER 01/2022: Einzug in das steuerfreie Familienheim
Zaubern können muss ein Erbe nicht
Die Maßstäbe der Rechtsprechung für den erbschaftsteuerfreien Erwerb eines Familienheims sind durchaus eng gesetzt. Allerdings darf das Finanzamt auch nicht allzu streng sein, wie ein aktueller Fall vor dem Bundesfinanzhof rund um eine geerbte Doppelhaushälfte zeigt.
Eltern können ihren Kindern eine selbstbewohnte Immobilie erbschaftsteuerfrei vererben. „Es handelt sich dabei um ein so genanntes Familienheim“, erklärt Steuerberater Dill. Die Steuerbefreiung erfolgt allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. So darf etwa die Wohnfläche der Immobilie 200 Quadratmeter nicht übersteigen. Ist sie größer, wird zumindest auf den übersteigenden Flächenanteil bzw. den anteiligen Wert doch Erbschaftsteuer fällig. „Wichtig ist aber vor allem, dass die Erben die Immobilien überhaupt zu eigenen Wohnzwecken nutzen möchten“, mahnt der Limburger Steuerexperte. Das setzt voraus, dass sie möglichst zeitnah einziehen.
Wenn die Zeit für Renovierung oder Sanierung knapp wird
„Unverzüglich“ heißt es sogar im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz zum Thema Selbstnutzung (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG). Das bedeutet aus Sicht des Finanzamts, dass zwischen Erbe und Einzug in der Regel ein Zeitraum von höchstens sechs Monaten verstreichen darf. Nun stehen aber in einer Bestandsimmobilie vor einer Weiternutzung oft erst einmal Renovierungsarbeiten an. Teilweise mögen sechs Monate hierfür ausreichen. „Je nach Umfang – oder wenn gar eine grundlegende Sanierung nötig ist – kann die Zeit aber knapp werden“, weiß Steuerberater Dill aus der Praxis. Zumal wenn es – wie derzeit viele Bauherren und Eigenheimbesitzer leidlich erfahren müssen – schwer ist, überhaupt zügig einen Handwerker zu bekommen. Deren Auftragsbücher sind zumeist zum Bersten gefüllt.
Streit mit dem Finanzamt um eine geerbte Doppelhaushälfte
Diese Problematik erkannte der Bundesfinanzhof in einem aktuellen Fall durchaus an (BFH, Urteil vom 6. Mai 2021, Az. II R 46/19). Dabei ging es um einen Sohn, der von seinem Vater eine Doppelhaushälfte geerbt hatte. In der einen Hälfte wohnte der Sohn, in der anderen – bis zu seinem Tod – der Vater. Der Sohn wollte die beiden Haushälften zusammenlegen und anschließend gemeinsam zu eigenen Wohnzwecken nutzen.
Dafür waren aber umfangreiche Renovierungs- und Sanierungsarbeiten an der hinzugekommenen Doppelhaushälfte notwendig. Aufgrund eines Feuchtigkeitsschadens zogen sich die Arbeiten über fast drei Jahre hin. Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht Münster lehnten daraufhin die Erbschaftsteuerbefreiung für Familienheime ab. In der Begründung hieß es, dass keine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung vorgelegen habe. Der Sohn habe nicht alle technisch denkbaren Maßnahmen unternommen, um die geerbte Haushälfte schnell zu renovieren (z.B. durch den Einsatz von Trocknungsgeräten).
Ein gravierender Mangel kann einen Zeitverzug rechtfertigen
Den BFH-Richtern waren die vom Finanzgericht gesetzten Maßstäbe jedoch zu streng. Sie stellten vielmehr klar, dass ein wegen der Beseitigung eines gravierenden Mangels eintretender Zeitverzug einer unverzüglichen Selbstnutzung nicht entgegen steht – also auch nicht nach dem Ablauf von sechs Monaten. Das gelte zumindest dann, wenn der Erwerber den Baufortschritt angemessen fördert.
„Diesbezüglich liegt allerdings die Beweislast beim Erben“, mahnt Steuerberater Dill. Aus dem Urteil gehe dafür einige Anhaltspunkte hervor. So muss der Erwerber
- darlegen und glaubhaft machen, zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung der Wohnung für eigene Wohnzwecke entschlossen hat,
- aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug in die Wohnung nicht früher möglich war und
- warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.
Kein Freibrief zum Trödeln
Alles Andere als ein Freibrief zum Trödeln also. Zumal in den Augen des BFH die Umstände im Einflussbereich des begünstigten Erwerbers, die nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums zu einer längeren Verzögerung des Einzugs führen (wie z.B. eine Renovierung der Wohnung), nur unter besonderen Voraussetzungen nicht dem Erwerber anzulasten sind. „Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich die Renovierung deshalb länger hinzieht, weil nach Beginn der Renovierungsarbeiten ein gravierender Mangel der Wohnung entdeckt wird, der vor dem Einzug beseitigt werden muss“, erläutert Steuerexperte Dill.
Zaubern nein, gewissenhaftes Aufzeichnen ja
Zaubern können muss der Erbe aber eben nicht. Zumindest muss er keinen unverhältnismäßigen Aufwand betreiben, um den Baufortschritt zu beschleunigen. Es genügt, wenn er die zumutbaren Maßnahmen ergreift, um unangemessene Bauverzögerungen auszuschließen. Welche genau das sind, muss von (Einzel-)Fall zu Fall geprüft werden. „Hilfreich wäre es etwa, wenn der Erbe – sozusagen als Beweisvorsorge – ein Bautagebuch führt“, rät der Limburger Steuerberater. Daraus könne später abgeleitet werden, wann welche Arbeiten erfolgt sind und wann ein stockender Baufortschritt beispielsweise wegen Lieferengpässen oder Handwerkermangel nicht selbst zu vertreten war.
Übrigens: Dass die Wohnfläche der zusammengelegten Haushälften am Ende 200 Quadratmeter überstieg, war im entschiedenen Fall ohne Bedeutung. Es kam lediglich darauf an, dass die Größe der hinzuerworbenen Wohnung nicht über dieser Grenze lag.
Was können Sie tun?
Prüfen Sie alle Voraussetzungen für eine Befreiung von der Erbschaftsteuer!
Für die Befreiung von der Erbschaftsteuer sind nicht nur die im Artikel genannten Kriterien entscheidend. Hinzu kommen beispielsweise noch bestimmte Fristen. So muss das Familienheim nach der Erbschaft mindestens zehn Jahre lang zu Wohnzwecken selbst genutzt werden – sonst verlangt das Finanzamt im Nachhinein eine Versteuerung. Welche Voraussetzungen für die Befreiung von der Erbschaftsteuer Sie bedenken und erfüllen müssen, zeigen wir Ihnen gerne auf: kontakt/at/steuerberater-dill.de
Foto: Martin Schlecht/AdobeStock