Lindenstraße 3, 65553 Limburg
     Dietkirchen, Deutschland
Tel +49 6431 973131 0
Fax +49 6431 973131 21
info/at/dillsteuer.de

Das steuerliche Reisekostenrecht

DILL-NEWSLETTER 08/2024: Das steuerliche Reisekostenrecht

„Betriebsstätte“ vs. „erste Tätigkeitsstätte“

Das steuerliche Reisekostenrecht: „Betriebsstätte“ vs. „erste Tätigkeitsstätte“

Gerade bei Selbstständigen ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich, wo ihre „Betriebsstätte“ liegt – vor allem, wenn sie dauerhaft bei einem Kunden tätig sind. Das kann zu Streit mit dem Finanzamt über die Fahrkosten führen. Hier lautet dann die Frage: Entfernungspauschale oder Reisekosten?

Wir geben einige Anhaltspunkte, worauf es bei der Unterscheidung ankommt.

Vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz stritt sich ein selbstständiger IT-Berater mit dem Finanzamt über seine Aufwendungen für Fahrten von seiner Wohnung zum Kunden (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. Juni 2024, Az. 1 K 1219/21; veröffentlicht am 24. Juli 2024). Der Berater übte in den Streitjahren seine Tätigkeit an vier Tagen pro Woche am Sitz seines (einzigen) Kunden aus. Er machte in den Einkommensteuererklärungen Aufwendungen für die Fahrten von seiner Wohnung zum Kunden und zurück als Betriebsausgaben geltend. Dabei legte er die Reisekostengrundsätze zugrunde und nicht die Entfernungspauschale.

„Die Kilometerpauschale bei einer Dienstreise beträgt 30 Cent pro gefahrenem Kilometer, und zwar sowohl für die Hin- als auch für die Rückfahrt“, erklärt Steuerberater Wolfgang Dill aus Limburg. „Bei der Entfernungspauschale kann man dagegen nur 30 Cent für die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Betrieb des Kunden als Werbungskosten geltend machen“, erläutert der Steuerexperte den Unterschied.

Finanzamt legte die Entfernungspauschale zugrunde

Das Finanzamt lehnte die Geltendmachung der Mehraufwendungen nach Dienstreisegrundsätzen ab. Es ließ nur den Ansatz der Entfernungspauschale zu. Dabei berief sich das Finanzamt auf die Anwendungsgrundsätze des Bundesfinanzministeriums (BMF, Schreiben vom 23. Dezember 2014, Gz. IV C 6 – S 2145/10/10005: 001). Demnach kommt dem Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ (in § 9 EStG) nach der gesetzlichen Neuregelung des Reisekostenrechts zum 1. Januar 2014 auch Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der „Betriebsstätte“ (in § 4 Abs. 5 EStG) zu. Das Finanzamt kam daher zu dem Ergebnis, dass der IT-Berater seine „erste Tätigkeitsstätte“ bei seinem Kunden habe und nur die Entfernungspauschale von 0,30 Euro anzusetzen sei. Hiergegen klagte der IT-Berater.

Falsche Interpretation des Begriffs „erste Tätigkeitsstätte“

Das Finanzgericht widersprach dem Finanzamt zunächst in dessen Interpretation des Begriffs „erste Tätigkeitsstätte“ (im Sinne des § 9 EStG [neue Fassung]). Die gesetzlichen Anforderungen daran seien im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht erfüllt. Die „Betriebsstätte“ dürfe nicht unter Rückgriff auf den durch die Neuregelung eingeführten Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ bestimmt werden. „Dies gelte auch abweichend zur inzwischen zehn Jahre lang bestehenden BMF-Auffassung“, staunt selbst der erfahrene Steuerberater Wolfgang Dill. Vielmehr müsse die Auslegung weiterhin auf der Grundlage des Betriebsstättenbegriffs durch die BFH-Rechtsprechung erfolgen, so das Gericht. Im vorliegenden Fall sei daher der Sitz des (einzigen) Kunden des Klägers als seine Betriebsstätte anzusehen.

Betriebsausgabenabzug zu Recht gekürzt

Im Ergebnis brachte diese Begriffsklauberei dem IT-Berater aber keinen Vorteil, seine Klage wurde abgewiesen. Im Ergebnis, so das Finanzgericht, habe das Finanzamt den begehrten Betriebsausgabenabzug zur Recht gekürzt. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG sei der Abzug von Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte auf die Höchstbeträge der gesetzlichen Entfernungspauschale begrenzt.

„Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Sachverhalts und insbesondere wegen der Abweichung von den Grundsätzen des Bundesfinanzministeriums zum Begriff der Betriebsstätte hat das Gericht aber die Revision zugelassen“, berichtet Steuerexperte Dill. Diese ist nun beim Bundesfinanzhof anhängig (BFH, Az. VIII R 15/24).

Was können Sie tun?

Bewahren Sie den Durchblick im Reisekostenrecht!

Das Reisekostenrecht ist kompliziert. Selbstständige erhalten dazu bei uns eine profunde Beratung: kontakt/at/steuerberater-dill.de

Foto: ViDi Studio / AdobeStock