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Streit um die Befreiung von der Erbschaftsteuer

DILL-NEWSLETTER 09/2023: Streit um die Befreiung von der Erbschaftsteuer

Ein Familienheim auf mehreren Flurstücken?

Streit um die Befreiung von der ErbschaftsteuerDas Erbe einer vom Erblasser selbstbewohnten Immobilie bleibt unter bestimmten Voraussetzungen erbschaftsteuerfrei. Nun kommt es aber abgesehen von klar einzuordnenden Sachverhalten im Alltag schon gelegentlich zu kuriosen Sonderfällen. Um einen solchen ging es in einem Streit vor dem Niedersächsischen Finanzgericht.

Zum Hintergrund des Streits: „Bei der Erbschaftsteuer erfolgt die Bewertung von Grundbesitz grundsätzlich durch das Finanzamt, in dessen Bezirk das entsprechende Grundstück liegt“, erklärt Steuerberater Wolfgang Dill aus Limburg. Die so festgestellten Werte übernimmt das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt als so genannte Grundlagenbescheide in den Erbschaftsteuerbescheid. „Dieses Finanzamt entscheidet ebenfalls über die Steuerbefreiung für ein Familienheim“, so Steuerexperte Dill.

Im Streitfall vor dem Niedersächsischen Finanzgericht gab es nun die Besonderheit, dass der Kläger durch Erbschaft sechs Flurstücke erworben hatte (FG Niedersachsen, Urteil vom 12. Juli 2023, Az. 3 K 14/23). Fünf dieser Flurstücke waren nach § 890 Bürgerliches Gesetzbuch zusammengefasst als ein Grundstück im Grundbuch vereinigt.

Das für die Bewertung zuständige Finanzamt fasste drei der fünf im Grundbuch vereinigten Flurstücke in einem Bescheid zusammen und stellte für diese einen Gesamtwert fest. In der Erläuterung des Bescheids führte das Bewertungsfinanzamt aus, dass die Steuerbefreiung für das Familienheim gegebenenfalls nur für das eine Flurstück zu gewähren sei, auf dem das Haus steht.

Das zuständige Finanzamt „zerlegte“ das Grundstück

So sah es auch das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt. Es übernahm weder den im Erbschaftsteuerbescheid festgestellten Gesamtwert für die drei Flurstücke noch gewährte es hierfür die Steuerbefreiung. Stattdessen rechnete es aus dem Gesamtwert den Wert des mit dem Einfamilienhaus bebauten Flurstücks heraus und gewährte nur in dieser Höhe die Steuerbefreiung. Der Kläger begehrte hingegen die Steuerbefreiung für den gesamten vom Bewertungsfinanzamt festgestellten Grundbesitzwert (also für alle drei Flurstücke).

„Das Finanzgericht musste sich also mit der Frage zu beschäftigen, nach welchen Kriterien das Familienheim zu bewerten ist“, berichtet Steuerberater Dill. Der Bundesfinanzhof hatte hierzu bereits ausgeführt, dass ein Grundstück im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaftssteuergesetz (ErbStG) entweder im Sinn des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des Bewertungsgesetzes zu verstehen sei (BFH, Urteil vom 23. Februar 2021, Az. II R 29/19). In diesem Fall kam es auf eine Entscheidung zu dieser Frage jedoch nicht an, sodass sie offenblieb.

Ein Grundstück aus verschiedenen rechtlichen Perspektiven

Also gruben die niedersächsischen Richter tiefer. Betrachte man ein Grundstück im zivilrechtlichen Sinn, so handele es sich hierbei um einen vermessenen, im Liegenschaftskataster bezeichneten Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch als ein Grundstück eingetragen ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 2005, Az. V ZR 139/04). Folge man dem Bewertungsgesetz – auf das § 12 Abs. 3 ErbStG grundsätzlich zur Bewertung von Grundbesitz verweist –, so ist auf die wirtschaftliche Einheit im Sinn von § 2 Abs. 1 Bewertungsgesetz abzustellen. Die wirtschaftliche Einheit bestimmt sich demnach nach der Verkehrsanschauung, wobei örtliche Gewohnheit, tatsächliche Übung, Zweckbestimmung und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen sind (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 Bewertungsgesetz).

Nur das bebaute Flurstück blieb steuerfrei

Vorliegend traf das Finanzgericht eine Weder-Noch-Entscheidung. Weder folgte es der zivilrechtlichen Sichtweise, da das mit dem Haus bebaute Flurstück nicht einzeln, sondern mit vier weiteren Flurstücken vereinigt im Grundbuch eingetragen war. Noch folgte das Gericht der vom Bewertungsfinanzamt vorgenommenen Grundstücksbewertung, die drei Flurstücke umfasste. „Das Gericht vertrat vielmehr die Ansicht, dass das Erbschaftsteuerfinanzamt zu Recht nur das tatsächlich mit dem Familienheim bebaute Flurstück von der Steuer befreit hatte“, sagt Wolfgang Dill. Dies folge aus der primären Anknüpfung des Erbschaftsteuerrechts an das Zivilrecht.

Zudem war es für das Finanzgericht verfassungsrechtlich geboten, die Befreiungsnorm restriktiv auszulegen. „Deswegen konnte für die Steuerbefreiung in den Augen der Richter nicht auf die wirtschaftliche Einheit im Sinn des Bewertungsrechts abgestellt werden“, erläutert der Limburger Steuerexperte. Stattdessen sei die Befreiung auf eine vorhandene katastermäßig kleinere Grundstücksfläche (und sollte diese nicht gegeben sein, gegebenenfalls auf eine Teilfläche) zu begrenzen.

Nachteile für Erben von kleineren Immobilien

Den Hintergrund der restriktiven Auslegung der Norm sah das Gericht in einer möglichen Doppelbegünstigung naher Familienmitglieder durch hohe Freibeträge einerseits und die Freistellung des Familienheims andererseits. Personen mit „großem“ Familienheim profitieren von der Befreiungsvorschrift nämlich in höherem Maß als z.B. Personen mit kleiner oder überhaupt keiner Immobilie. Dies liegt daran, dass die Freibeträge zusätzlich zur Steuerbefreiung des Familienheims gewährt werden.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Finanzgericht die Revision zugelassen. Diese wurde vom unterlegenen Kläger auch bereits eingelegt. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der Bundesfinanzhof zu dieser Frage positioniert (BFH, Az. II R 27/23).

Was können Sie tun?

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Rund um die Erbschaftsteuer gilt es gerade auch beim Familienheim viele steuerrechtliche Aspekte zu beachten. Wir beraten Sie gerne: kontakt/at/steuerberater-dill.de

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