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Anscheinsbeweis sprach gegen Gesellschafter-Geschäftsführer

DILL-NEWSLETTER 06/2023: Verdeckte Gewinnausschüttung durch private Kfz-Nutzung

Anscheinsbeweis sprach gegen Gesellschafter-Geschäftsführer

Nutzung eines Porsches als Dienstwagen: Anscheinsbeweis sprach gegen Gesellschafter-GeschäftsführerWas ist wertiger, ein Porsche Cayenne oder ein Porsche Boxster? Echte Sportwagen-Fans können diese Frage natürlich problemlos beantworten. Das Finanzamt kam in einem Streit über die vermeintliche Privatnutzung eines betrieblichen Fahrzeugs ebenfalls zu einem klaren Schluss – sehr zum Leidwesen der klagenden GmbH.

In dem vom Finanzgericht Köln entschiedenen Fall stritt sich eine GmbH mit dem Finanzamt über die vom Betriebsprüfer unterstellte private Nutzung eines betrieblichen Pkw durch deren alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer (FG Köln, Az. 13 K 1001/19). „Das Finanzamt vermutete eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) bzw. unentgeltliche Wertabgabe“, berichtet Steuerberater Dill aus Limburg.

Im Vertrag zwischen GmbH und Geschäftsführer war vereinbart, dass ihm zusätzlich zum Gehalt ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt wird. Den durfte er zunächst auch für private Zwecke nutzen. Später allerdings untersagte ihm eine Änderungsvereinbarung die private Nutzung. Im Betriebsvermögen befand sich neben einem Audi A4 Avant auch ein Porsche Cayenne. Privat war auf den Geschäftsführer ein Porsche Boxster Cabriolet zugelassen.

Regelung im Anstellungsvertrag war nicht akzeptabel

Der Anscheinsbeweis

Der gewohnheitsrechtlich anerkannte Anscheinsbeweis gilt in der Rechtsprechung als Form der mittelbaren Beweisführung. Er beruht auf der Erfahrung, dass bestimmte Sachverhalte typischerweise bestimmte Folgen auslösen oder umgekehrt, dass bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten. Dem Anscheinsbeweis liegt damit ein typischer, aber nicht (unbedingt) der tatsächliche Geschehensablauf zugrunde. Die Anwendung des Erfahrungsgrundsatzes auf den Anscheinstatbestand bewirkt jedoch, dass das Ergebnis der Beweiswürdigung zur vollen Überzeugung des Gerichts vorgegeben ist – es sei denn, der Anscheinsbeweis wird erschüttert.

Der Betriebsprüfer vertrat hinsichtlich des betrieblichen Porsche Cayenne die Auffassung, das vereinbarte Verbot der Privatnutzung sei so nicht zu akzeptieren. Schließlich verfüge der Geschäftsführer privat über kein gleichwertiges Fahrzeug. Der Porsche Cayenne sei deutlich hochwertiger als der Porsche Boxster Cabriolet. Das Finanzamt setzte daher eine vGA an.

Dagegen klagte die GmbH. Ihrer Meinung nach konnte beim Vergleich der beiden Fahrzeugtypen im Luxussegment kaum davon gesprochen werden, dass eines deutlich hochwertiger sei als das andere. Ohnehin sei die Existenz eines gleichwertigen privaten Kfz keine Voraussetzung dafür, dass ein vertraglich fixiertes privates Nutzungsverbot zu akzeptieren sei. Dabei berief sich die GmbH auf die laufende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, Az. VI R 46/11, Az. VI R 23/12 und Az. VI R 25/13). Diesen Urteilen lasse sich entnehmen, dass der so genannte Anscheinsbeweis einer privaten Nutzung nicht zur Anwendung gelange, wenn die private Nutzung vertraglich untersagt sei und keine objektiven Anhaltspunkte für eine Privatnutzung vorlägen. Nötig seien demnach noch zusätzliche objektive Beweise.

Verbot wurde weder überwacht noch durchgesetzt

Von dieser Argumentation ließ sich das Finanzamt nicht beeindrucken. Die Vereinbarung eines Nutzungsverbots hinsichtlich privater Fahrten stehe dem Ansatz von vGA nicht entgegen, wenn dieses Verbot von der Kapitalgesellschaft nicht überwacht und durchgesetzt werde. Ob eine private Pkw-Nutzung vorliege, sei nach den allgemeinen Grundsätzen festzustellen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung nutze ein Gesellschafter-Geschäftsführer ein ihm zur Verfügung stehendes Betriebsfahrzeug auch für private Fahrten.

Dieser Anscheinsbeweis gelte insbesondere dann, wenn es sich um ein repräsentatives Fahrzeug handele. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer über einen privaten Pkw verfüge. „Das vertragliche Verbot der privaten Nutzung genügt daher in der Regel nicht, um eine private Nutzung in den Augen des Finanzamts vollständig auszuschließen“, warnt Steuerexperte Dill. Vielmehr müsse der Arbeitgeber geeignete organisatorische Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich keine Privatfahrten mit dem Unternehmensfahrzeug durchführe. Dies könne beispielsweise durch ein Fahrtenbuch geschehen – was hier nicht vorlag.

Unterschied zwischen „normalem“ und alleinigem Geschäftsführer

Zudem lasse sich die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des BFH nicht auf den Streitfall übertragen, so das Finanzamt. In den zitierten Fällen ging es um bis zu 50% beteiligte GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer, nicht aber um alleinige, beherrschende (also mit einer Beteiligung über 50%) Gesellschafter-Geschäftsführer. „Letztere stehen hinsichtlich ihrer Beherrschung des Unternehmens einem Einzelunternehmer gleich“, erklärt Steuerberater Dill. Damit gilt für sie – quasi automatisch – ein Anscheinsbeweis zugunsten einer privaten Pkw-Nutzung.

Im Streitfall wies das Finanzamt außerdem darauf hin, dass die Geschäftsräume und der Wohnsitz etwa fünf Kilometer auseinander lagen. Wenn der Geschäftsführer tagsüber einen privaten Termin (z.B. Arztbesuch, privater Einkauf o.Ä.) wahrnehme und vorher im Betrieb gewesen sei, werde er wohl kaum erst zu seiner Wohnung fahren und dort das Fahrzeug wechseln, um damit die private Fahrt vorzunehmen, sondern selbstverständlich das Betriebsfahrzeug für diese Fahrt nutzen. Die bloße Behauptung, Privatfahrten seien ausschließlich mit anderen Fahrzeugen als dem betrieblichen Pkw durchgeführt worden, reiche jedenfalls nicht aus, um eine Anwendung der so genannten 1-%-Regel auszuschließen, so das Amt. Das habe auch der BFH bereits entschieden (vgl. z.B. BFH-Urteil, Az. X R 23/01).

Finanzgericht wies Klage der GmbH als unbegründet ab

Das Finanzgericht Köln folgte den Darlegungen des Finanzamts uneingeschränkt und wies die Klage als unbegründet ab. Der GmbH sei es nicht gelungen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Das gelte erst recht mit Blick darauf, dass es sich bei dem Porsche Cayenne um ein repräsentatives, neuwertiges und hochpreisiges Fahrzeug handelt, auf das ein jederzeitiger Zugriff besteht. In seiner detaillierten Begründung bezog das Gericht ebenfalls – allerdings deutlich umfangreicher als der Kläger – die laufende BFH-Rechtsprechung ein.

„Demnach kann bezogen auf die von einer Kapitalgesellschaft getragenen Kosten für einen ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer zur Verfügung gestellten betrieblichen Pkw nur dann von einer ausschließlich betrieblichen Veranlassung der Kfz-Kosten ausgegangen werden, wenn die private Nutzung des Fahrzeugs durch den Gesellschafter-Geschäftsführer durch eine fremdübliche Überlassungs- und Nutzungsvereinbarung gedeckt ist“, fasst Steuerfachmann Dill die geltende Rechtsmeinung zusammen. In diesem Fall liegt in der unentgeltlichen oder verbilligten Nutzungsüberlassung zwar immer noch ein lohnsteuerlich relevanter geldwerter Vorteil vor, aber keine vGA.

Vorteil gegen den Willen des Arbeitgebers

„Die ohne eine fremdübliche Überlassungs- und Nutzungsvereinbarung erfolgende, über eine solche Vereinbarung hinausgehende oder einem ausdrücklichen Verbot widersprechende Nutzung eines Betriebs-Pkw zu privaten Zwecken hat dagegen keinen Lohncharakter“, so der Limburger Steuerfachmann weiter. Schließlich werde ein solcher Vorteil, den der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers erlangt, nicht „für“ eine Beschäftigung gewährt. Vielmehr ist die unbefugte Privatnutzung in diesem Sinne durch das Gesellschaftsverhältnis zumindest mitveranlasst und führt auf Gesellschaftsebene stets zu vGA.

Letztlich betonte das Gericht: Allein ein vertragliches Nutzungsverbot eines betrieblichen Pkws zu privaten Zwecken reiche bei einem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer nicht aus. Schließlich bestehe für ihn in dem Fall, dass er sich über ein solches Verbot hinwegsetzt, nicht einmal ansatzweise das Risiko von arbeits- oder zivilrechtlichen Konsequenzen. Diese spezielle Rechtsbeziehung zwischen einer GmbH und ihrem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer müsse bei der Beurteilung eines solchen Sachverhalts stets berücksichtigt werden. Sonst hänge die Besteuerung nicht vom tatsächlichen Lebenssachverhalt ab, sondern von einer „nur auf dem Papier“ bestehenden Rechtslage. Und das widerspreche dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO).

Das Finanzgericht Köln ließ in dem Fall allerdings die Revision zu. Nun wird also der Bundesfinanzhof das letzte Wort in der Sache haben.

Was können Sie tun?

Alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer müssen sich an strenge Regeln halten!

Um eine alleinige Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs zu betrieblichen Zwecken nachzuweisen bzw. eine Nutzung für private Fahrten auch in den Augen des Finanzamts wirksam auszuschließen, müssen alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer bestimmte organisatorische Maßnahmen ergreifen. Dazu zählt zuvorderst das Führen eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs. Denkbar wären in den Augen des Gerichts auch das stete Abstellen des Pkw auf dem Firmengelände und die Verwahrung des Schlüssels durch Dritte. Wir helfen bei allen weiteren Fragen zum Thema gerne weiter: kontakt/at/steuerberater-dill.de

Foto: artographer34 / Adobe Stock

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