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Kleine Fehler bestraft das Finanzamt sofort

DILL-NEWSLETTER 02/2023: In der elektronischen Steuererklärung „verklickt“

Kleine Fehler bestraft das Finanzamt sofort

Kleine Fehler bestraft das Finanzamt sofortIrren ist menschlich, besteuern amtlich. So lässt sich der Tenor eines aktuellen Urteils des Niedersächsischen Finanzgerichts vielleicht am besten zusammenfassen. Ein Ehepaar hatte versehentlich veraltete Steuerdaten an das Finanzamt übermittelt. Eine Berichtigung lehnten Amt und Gericht ab.

Laut Abgabenordnung (AO) können bestimmte Fehler in der Steuererklärung im Nachhinein noch berichtigt werden. „Dazu zählen insbesondere Schreib- und Rechenfehler“, erklärt Steuerberater Wolfgang Dill aus Limburg mit Blick auf den hierfür einschlägigen Paragrafen § 173a AO.

Darauf berief sich auch ein Ehepaar aus Niedersachsen. Die Eheleute waren im Streitjahr 2018 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Zum einen waren sie als Angestellte nichtselbstständig tätig und erzielten Einkünfte gemäß § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Darüber hinaus erzielten sie geringe Kapitalerträge und vereinnahmten Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung mehrerer Mietobjekte.

Elektronische Steuererklärung im komprimierten Verfahren erfordert echte Unterschrift

Ende August 2019 übermittelten sie dem Finanzamt die komprimierte Steuererklärung für das Jahr 2018 auf elektronischem Weg. Anfang September reichten sie die Bescheinigung einer Bank zur Anlage KAP nach. Daraufhin meldete sich das Finanzamt bei ihnen, es könne keinen Eingang einer entsprechenden Steuererklärung feststellen und forderte sie auf, diese nachzureichen. Das Ehepaar fragte verwundert nach und verwies auf die Übermittlung im August. In einer Antwortmail Ende September 2019 teilte das Finanzamt dem Ehepaar mit, dass sie für ihre Einkommensteuererklärung das komprimierte Verfahren gewählt hätten. Hierzu sei es notwendig, zum übertragenen Datensatz die Papierausfertigung mit Unterschrift zu versenden und zusätzlich beim Finanzamt einzureichen. Das Ehepaar wurde gebeten, dies nachzuholen, falls dieses noch nicht geschehen sei. Der Bitte leisteten die Eheleute Folge: Sie reichten ihre unterschriebene sowie mit einer Telenummer versehene komprimierte Einkommensteuererklärung 2018 – unter Hinweis auf die bereits am 28. August 2019 mit Elster-Formular elektronisch übermittelten Steuerdaten – noch am selben Tag beim Finanzamt ein.

Hin und Her mit dem Finanzamt

Das Finanzamt führte anschließend die Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres antragsgemäß durch und erließ am 23. Oktober 2019 einen Einkommensteuerbescheid 2018. Am 25. Oktober 2019 übermittelten die Eheleute allerdings eine weitere Einkommensteuererklärung 2018 im authentifizierten Verfahren. Abweichend von der am 28. August 2019 eingereichten Steuererklärung erklärten sie hierin andere Besteuerungsgrundlagen; unter anderem machten sie Aufwendungen (Schulgeld) für ein Kind und bestimmte Vorsorgeaufwendungen geltend.

Das Finanzamt sah hierin eine berichtigte Einkommensteuererklärung und änderte den Bescheid 2018 vom 23. Oktober 2019. Der neue Bescheid vom 13. November 2019 sah allerdings keine Rückzahlung mehr vor, sondern eine Nachzahlung. Einspruch gegen den geänderten Bescheid legten die Eheleute nicht ein. Dafür beantragten sie mit Schreiben vom 12. Mai 2020 die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 2018 vom 13. November 2019. Schließlich habe mit Bescheid vom 23. Oktober 2019 bereits eine antragsgemäße Einkommensteuerveranlagung stattgefunden.

Versehentlich die Daten des Vorjahres übersandt

Ihr Hauptargument war allerdings ein anderes: Mit dem Änderungsbescheid vom 13. November 2019 seien u.a. die Vermietungseinkünfte aus dem Jahr 2017 fehlerhaft auch im Jahr 2018 berücksichtigt worden. Das wiederum liege an einem Fehler ihrerseits, wie sie in dem Schreiben einräumten. Nach der Aufforderung des Finanzamts zur Nachreichung der Steuererklärung im September 2019 hätten sie versucht, die Daten nochmals an das Finanzamt zu senden, was leider unter „Elster Formular“ nicht gelungen sei. Offensichtlich dürfe hierüber nur eine Erklärung pro Jahr übersandt werden.

Daher hätten sie ein weiteres Programm geladen, um die Daten erneut an das Finanzamt zu übersenden. Dabei sei ihnen offensichtlich ein Fehler unterlaufen. So hätten sich die Daten des Jahres 2017 in das neue Programm für das Jahr 2018 „eingemischt“. Statt dem Ordner mit den richtigen Daten für das Jahr 2018 sei durch ein „Verklicken“ der Ordner mit den Daten aus 2017 übermittelt worden. Sämtliche nachträglich übersandten Daten seien somit falsch gewesen. Dies habe sowohl den Arbeitslohn und Versicherungsaufwendungen als auch die Mieteinnahmen betroffen.

Hätte das Finanzamt den Fehler erkennen müssen?

Obwohl mit einem Blick erkennbar gewesen sei, dass es sich um die Steuerdaten des Jahres 2017 gehandelt habe, habe das Finanzamt, ohne nochmal Rücksprache zu halten, einfach die höheren Mieteinnahmen angesetzt, die niedrigeren Löhne allerdings unberücksichtigt gelassen, beschwerte sich das Ehepaar. Es liege daher ein erheblicher offensichtlicher Fehler auf Seiten des Finanzamts vor, welcher zu einer Änderung nach § 129 AO innerhalb von vier Jahren berechtige.

Darauf wollte sich das Finanzamt nicht einlassen – woraufhin die Eheleute klagten. Als zusätzliches Argument führten sie ins Feld, dass das Amt die Einkommensteuererklärung vom 25. Oktober 2019 als Einspruch hätte werten müssen. Dies gelte unter Gewährung des größtmöglichen Rechtsschutzes. Daher sei der neue Bescheid vom 13. November 2019 lediglich Gegenstand des anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens geworden. Ergänzend führten die Kläger aus, dass es nach ihrer Auffassung zur Mehrfachübersendung der Steuererklärung nur deshalb gekommen sei, weil offenbar strukturelle Prozesse in der Datenverarbeitung beim beklagten Finanzamt nicht optimal gearbeitet hätten.

Finanzgericht ließ alle Argumente nicht zählen – aber ein Hintertürchen offen

All diese Argumente ließ das Niedersächsische Finanzgericht nicht zählen (FG Niedersachsen, Urteil vom 21. September 2022, Az. 9 K 203/21).

Die Leitsätze des Urteils lauteten:

  1. Die durch den Steuerpflichtigen unterlassene Überprüfung einer im authentifizierten Verfahren an die Finanzbehörde übermittelten Steuererklärung kann ein grobes Verschulden i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO begründen. Gleiches gilt für die unterbliebene Prüfung eines geänderten Steuerbescheids.
  2. Eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO scheidet aus, wenn sich diese nicht aus der Steuererklärung selbst, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergibt, sondern auf Akten der Vorjahre zurückgegriffen werden muss.
  3. Die versehentlich erfolgte, fehlerhafte Auswahl von Steuerdaten, die in einem Ordner auf dem Computer des Steuerpflichtigen gespeicherten sind, stellt keinen Schreib- oder Rechenfehler i.S.d. § 173a AO dar.

Das Finanzamt konnte in den Augen der Richter den Fehler des Ehepaares nicht auf den ersten Blick erkennen, erst recht nicht als Schreib- oder Rechenfehler (gemäß § 173a AO). Zur Fehlerfeststellung hätten vielmehr weitere Prüfungen auch im Zusammenhang mit einem anderen Veranlagungszeitraum vorgenommen werden müssen, was die Anwendung der genannten Vorschrift ausschließe.

Was sind berichtigungsfähige Fehler?

Berichtigungsfähige Fehler im Sinne der Vorschrift seien, so das Gericht, schlicht mechanische Versehen. „Dazu zählen insbesondere Rechtschreibfehler, Wortverwechslungen, Wortauslassungen oder fehlerhafte Übertragungen. Rechenfehler sind vorrangig Fehler bei der Addition, Subtraktion, Multiplikation oder Division sowie bei der Prozentrechnung“, erläutert Steuerberater Dill aus Limburg. Bei der versehentlich erfolgten Auswahl des falschen Datenordners handele es sich nicht um einen Fehler in der manuellen Verwendung von Buchstaben bzw. Zahlen/Ziffern – und damit auch nicht um einen Schreibfehler im Sinne der Vorschrift.

Ein kleines Hintertürchen bleibt dem Ehepaar noch: Das Gericht ließ die Revision zu, da ihm für die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erforderlich erschien (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Das oberste deutschen Finanzgericht soll hierbei genauer Stellung zu der Frage nehmen, inwieweit Fehler des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der elektronischen Übermittlung von Daten zu einer Änderung bzw. Aufhebung von Steuerbescheiden nach § 173a AO berechtigen.

Was können Sie tun?

Legen Sie im Zweifel Einspruch ein – dann aber formal richtig!

Entgegen dessen Ansinnen wollte das Gericht eine weitere Einkommensteuererklärung des Ehepaares nicht als zulässigen Einspruch gegen den Steuerbescheid gelten lassen. In der Tat sprachen hier einige gute formale Gründe gegen. Wir helfen Ihnen im Zweifelsfall gerne bei der Prüfung und korrekten Begründung eines solchen Einspruchs: kontakt/at/steuerberater-dill.de

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