Einige positive Überraschungen
DILL-NEWSLETTER 12/2022: Bundestag beschließt Jahressteuergesetz – der Bundesrat hat noch Zweifel
Einige positive Überraschungen
Der Bundestag hat dem Jahressteuergesetz 2022 zugestimmt. Damit einher gehen eine Reihe von teils überraschenden steuerlichen Verbesserungen ab dem kommenden Jahr, etwa zum Thema Arbeitszimmer und kleine Photovoltaik-Anlagen. Gleichzeitig enthält das Gesetz aber auch eine Änderung der Bewertung von Immobilien, die negative Auswirkungen auf die Erbschaftsteuer haben könnte. Die Zustimmung des Bundesrats steht noch aus – und einige Länder sehen an der einen oder anderen Stelle Nachbesserungsbedarf.
„Das vom Bundestag beschlossene Jahressteuergesetz enthält in der Tat einige wichtige Ergänzungen und Abweichungen gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf“, zeigt sich Steuerberater Wolfgang Dill aus Limburg im Großen und Ganzen positiv überrascht. Die Steuerzahler können jedenfalls mit einigen Entlastungen rechnen, im kommenden Jahr in Höhe von 3,16 Milliarden Euro, bis 2026 in einer Gesamthöhe rund 6,9 Milliarden Euro.
Erleichterungen für kleinere Photovoltaik-Anlagen
Eine der positivsten Änderungen ist die Entlastung für kleinere Photovoltaik (PV)-Anlagen. „Diese können nun steuerfrei betrieben werden“, freut sich Steuerexperte Dill. Die Regelung – ursprünglich ab 2023 geplant – gilt bereits ab diesem Jahr. Außerdem sind nun durch die Streichung der im Regierungsentwurf enthaltenen Formulierung „überwiegend zu Wohnzwecken genutzten“ auch PV-Anlagen auf überwiegend zu betrieblichen Zwecken genutzten Gebäuden bis zu 15 kW je Wohn-/Geschäftseinheit begünstigt. Damit entsprach der Bundestag einer diesbezüglichen Prüfbitte des Bundesrats.
Häusliches Arbeitszimmer leichter abziehbar
„Auch die Regelungen für ein häusliches Arbeitszimmer werden vereinfacht“, erklärt Steuerberater Dill. Aufwendungen dafür sollen – soweit der Mittelpunkt der Tätigkeit im Arbeitszimmer liegt – auch dann abziehbar sein, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Zur Erleichterung soll in diesen Fällen die Wahl eines pauschalen Abzugs in Höhe von 1.260 Euro im Jahr möglich sein. „Damit soll sichergestellt werden, dass Steuerpflichtige mit Arbeitszimmer nicht schlechter gestellt werden als solche, die nur die Homeoffice-Pauschale abziehen“, erläutert der Limburger Steuerfachmann. Die Homeoffice-Pauschale selbst wird entfristet und auf sechs Euro pro Tag angehoben. Ein Anspruch darauf besteht nun für bis zu 210 Tage im Jahr.
Kritik an Änderung der Bewertungsregeln für Immobilien
Kritisch sieht Steuerberater Dill die Änderung der Bewertungsregeln für Immobilien. Das Ertrags- und das Sachwertverfahren zur Bewertung bebauter Grundstücke sowie die Verfahren zur Bewertung in Erbbaurechtsfällen und Fällen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden werden an die bereits geänderte Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) angepasst. „Sie sind Grundlage für die steuerliche Bewertung von Erbschaft und Schenkung bebauter Grundstücke“, erklärt Wolfgang Dill. Der Gesetzgeber will die Liegenschaftszinssätze (§ 188 Abs. 2 Satz 2 BewG) und Sachwertfaktoren (§ 191 Satz 2 BewG i.V.m. Anlage 25 zum BewG) an das aktuelle Marktpreisniveau anpassen und einen Regionalfaktor im Sachwertverfahren einführen.
Die neuen Regeln gelten für Bewertungsstichtage ab dem 31. Dezember 2022. Die in einem Erbschaftsteuerverfahren zugrunde gelegten Immobilienwerte dürften danach also steigen. Eine entsprechende Anhebung der Freibeträge, die seit 2009 unverändert sind, war zunächst allerdings nicht geplant. „Daher könnte – gerade in begehrten Innenstadtlagen – eine höhere Steuerbelastung auf Erben zukommen“, fürchtet der Steuerberater. Zuletzt zeigte sich die Ampelkoalition aber bezüglich einer Anhebung der Freibeträge doch noch verhandlungsbereit.
Erhöhung der linearen AfA von zwei auf drei Prozent
Beim Thema Immobilien wiederum positiv wertet Steuerexperte Dill die gegenüber dem Ursprungsentwurf sogar noch einmal verbesserte Abschreibung von Immobilien. Der lineare AfA-Satz zur Abschreibung von Wohngebäuden steigt von zwei auf drei Prozent. „Die aus dem Ansatz des höheren pauschalen AfA-Satzes resultierende kürzere Abschreibungsdauer von 33 Jahren hat aber keinen Einfluss auf die Beurteilung der tatsächlichen Nutzungsdauer von Wohngebäuden“, stellt der Steuerberater klar. Diese wird regelmäßig auch mehr als 50 Jahre betragen. Die Regelung tritt bereits zum Jahresanfang 2023 in Kraft und damit sechs Monate früher als zunächst vorgesehen.
Auch für den Mietwohnungsbau wurden bessere Abschreibungsmöglichkeiten beschlossen. Für die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung werden die Voraussetzungen an die Wohnung zukünftig allerdings an bestimmte Effizienzvorgaben gekoppelt.
Außerdem schafft das Jahressteuergesetz 2022 einen direkten Auszahlungsweg für öffentliche Leistungen unter Nutzung der steuerlichen Identifikationsnummer. So soll zukünftig die Auszahlung bestimmter Leistungen des Bundes wie zum Beispiel Nothilfen oder Klimagelder erleichtert werden.
Weitere wichtige Punkte aus dem Jahressteuergesetz 2022 im Überblick (Änderungen ab Januar 2023):
- Der Sparer-Pauschbetrag erhöht sich von derzeit 801 Euro auf 1.000 Euro für Alleinstehende und von 1.602 auf 2.000 Euro für Ehegatten beziehungsweise Lebenspartner.
- Der Arbeitnehmerpauschbetrag steigt von 1.200 auf 1.230 Euro.
- Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird um 252 Euro angehoben.
- Bei der Altersvorsorge soll der vollständige Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen vollzogen werden. Bisher waren 96 Prozent für 2023 und 98 Prozent für 2024 vorgesehen. Damit soll eine doppelte Besteuerung vermieden werden.
- Der Grundrentenzuschlag soll rückwirkend zum 1. Januar 2021 steuerfrei gestellt werden.
- Der Ausbildungsfreibetrag für volljährige Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden und auswärts untergebracht sind, steigt von 924 Euro auf 1.200 Euro pro Kalenderjahr.
Regelungen zur Energiepreiskrise
Auch zum Thema Energiepreiskrise enthält das überaus umfangreiche Jahressteuergesetz einige Regelungen, etwa zur Steuerpflicht der Energiepreispauschale für Rentner und Versorgungsbezieher. Dadurch werden in diesem Jahr Mehreinnahmen von 520 Millionen Euro erwartet. Steuerpflichtig werden soll auch die Gas-/Wärmepreisbremse (Dezemberhilfe). Vorgesehen ist hier ein sozialer Ausgleich: Nur bei Steuerpflichtigen, die den Solidaritätszuschlag zahlen müssen, soll sich das zu versteuernde Einkommen um die Entlastungen durch die Gaspreisbremse erhöhen.
Einführung einer Übergewinnsteuer für Unternehmen
Die EU-Verordnung zur Einführung eines Energiekrisenbeitrags wird mit dem Jahressteuergesetz ebenfalls umgesetzt. Vorgesehen ist, dass in den Wirtschaftsjahren 2022 und 2023 (bei abweichenden Wirtschaftsjahren 2022/23 und 2023/24) entstandene Gewinne von Unternehmen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriewirtschaft, die im Vergleich zu den Vorjahren (2018 bis 2021) den Durchschnittsgewinn um 20 Prozent übersteigen, besteuert werden. Der Steuersatz soll 33 Prozent betragen. Aus dieser so genannten Übergewinnsteuer werden zusätzlichen Einnahmen zwischen einer und drei Milliarden Euro zur Finanzierung der Strompreisbremse erwartet.
Zustimmung des Bundesrats aktuell noch ungewiss
Vor seinem Inkrafttreten muss das Jahressteuergesetz noch vom Bundesrat gebilligt werden. Einige unionsgeführte Bundesländer haben bereits Bedenken geäußert; sie wollen den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen. So bestehen etwa verfassungsrechtliche Zweifel an der Ausgestaltung der Übergewinnsteuer. Außerdem gibt es Kritik daran, dass die vom Bund gewährte Entlastung von Energiekosten für Besserverdiener besteuert werden soll. Dies führe zu einem Bürokratiemonster.
Bayern fordert darüber hinaus eine Erhöhung der persönlichen Freibeträge der Erbschaftsteuer. Diese seien seit 2009 nicht mehr angepasst worden. Genau das sei wegen der drastisch gestiegenen Lebenshaltungskosten und der stark gestiegenen Immobilienpreise jetzt dringend notwendig. Wie bereits gesagt, ist die Ampelkoalition diesbezüglich wohl verhandlungsbereit – sieht hier nun aber erst einmal den Bundesrat am Zug.
Was können Sie tun?
Prüfen Sie, welche Auswirkungen die Änderungen bei der Erbschaftsteuer für Sie haben könnten!
Viele Immobilien-Erbschaften dürften weiterhin steuerfrei bleiben, weil sie entweder unter den persönlichen Freibeträgen naher Angehöriger liegen, es sich um ein so genanntes Familienheim handelt, das von der Erbschaftsteuer befreit ist, oder aber um Anteile an so genannten Wohnungsunternehmen, die in den Genuss der Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen kommen. Dies gilt erst recht, wenn die Freibeträge doch noch weiter angehoben werden.
Um steuerliche Belastungen zu vermeiden oder zu reduzieren, kann außerdem noch versucht werden, einen möglichst niedrigen Wert gegenüber dem Finanzamt darzulegen. Das gilt unabhängig von den pauschalen Bewertungsmethoden der Finanzverwaltung und kann notfalls mit Hilfe eines Wertgutachtens erfolgen. Diese Möglichkeit gab es auch bisher schon bei der Erbschaftsteuer für Immobilien.
Wir beraten Sie gerne zu Ihrem steuerlichen Gestaltungsspielraum (nicht nur) bei der Erbschaftsteuer: kontakt/at/steuerberater-dill.de
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