Lindenstraße 3, 65553 Limburg
     Dietkirchen, Deutschland
Tel +49 6431 973131 0
Fax +49 6431 973131 21
info/at/dillsteuer.de

AfA, Entschädigung und Abfindung

DILL-NEWSLETTER 04/2022: Aktuelle Urteile zu besonderen Kosten rund um eine Immobilie

AfA, Entschädigung und Abfindung – was gilt steuerlich?

AfA, Entschädigung und Abfindung: Aktuelle Urteile zu besonderen Kosten rund um eine ImmobilieNeben dem eigentlichen Kaufpreis bzw. dem Bau- und Unterhaltsaufwand fallen rund um eine Immobilie regelmäßig auch weitere, teilweise eher ungewöhnliche Kosten an. Diese können sich auch steuerlich auswirken – oft, aber nicht immer, wie es sich ein Steuerzahler erhofft.

Fall 1: Deutliche Vereinfachung für Vermieter bei der AfA

„Gerade rund um die Bewertung eines Grundstücks gibt es immer wieder Dissens zwischen Eigentümer bzw. Käufer und dem Finanzamt“, schildert Steuerexperte Dill eine Erfahrung aus der eigenen Beratungspraxis. Im Vordergrund steht dabei die Frage nach der so genannten Restnutzungsdauer, die wiederum der Berechnung des AfA-Satzes dient. In der Regel liegt der Abschreibung für Abnutzung bei Immobilien je nach Baujahr eine Frist von 50 Jahren oder 40 Jahren (siehe nebenstehenden Kasten) zugrunde – die übrigens bei jeder Veräußerung eines Grundstücks wieder von vorne zu laufen beginnt. „Dieser ,Reset‘ führt oft zu Ärger“, weiß Steuerberater Dill. Schließlich ist eine angenommene Restnutzungsdauer von 50 Jahren gerade bei betagten Gebäuden, die nur schlecht in Schuss sind, eher unwahrscheinlich.

Die AfA bei Immobilien

Als Absetzung für Abnutzungen (kurz AfA) wird steuerrechtlich die Wertminderung von Anlagevermögen bezeichnet. Mit dieser Gebäudeabschreibung können Anschaffungs- und Herstellungskosten steuerlich geltend gemacht werden.

  • Für alle Häuser, die nach dem 31. Dezember 1924 gebaut worden sind, sind es in der Regel 2 Prozent der Kosten, bei einem Absetzungszeitraum von 50 Jahren.
  • Wurde eine Immobilie vor dem 31. Dezember 1924 gebaut, können ihre Anschaffungskosten in der Regel jährlich zu 2,5 Prozent über einen Zeitraum von 40 Jahren abgesetzt werden.

Käufer haben allerdings die Möglichkeit, eine kürzere Restnutzungsdauer nachzuweisen und damit den jährlichen AfA-Satz zu erhöhen. „Dazu verlangt das Finanzamt bislang oft ein aufwändiges Bausubstanzgutachten. Das ist nicht nur teuer, sondern in der Praxis auch schwer zu bekommen“, berichtet Steuerberater Dill.

Jeder sachgerechte Nachweis ist möglich

Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs sorgt hier nun für eine deutliche Vereinfachung (BFH, Urteil vom 28. Juli 2021, Az. IX R 25/19). Der entscheidende Leitsatz hieraus: „Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG) jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint.“ Mit anderen Worten: „Jeder sachgerechte Nachweis ist möglich“, übersetzt der Limburger Steuerexperte. Die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens ist jedenfalls nicht länger Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer.

Diese veränderte Rechtslage kam direkt in einem aktuellen Fall vor dem Finanzgericht Münster zum Tragen (FG Münster, Urteil vom 27. Januar 2022, Az. 1 K 1741/18 E). Hier hatte ein Käufer im Jahr 2011 im Rahmen einer Zwangsversteigerung ein Grundstück mit einem im Jahr 1955 errichteten Gebäude erworben, das er seitdem zur Erzielung von Mieteinkünften nutzte. Das Amtsgericht hatte im Zwangsversteigerungsverfahren ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Grundstückswerts in Auftrag gegeben. Der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige machte in seinem Gutachten u.a. Angaben zum Modernisierungsstand und zu erforderlichen Instandsetzungsarbeiten. Er kam danach zu einem fiktiven Baujahr 1960 und zu einer Restnutzungsdauer des Gebäudes von 30 Jahren. Dem Gutachten legte er die Regelungen der zum Stichtag gültigen Wertermittlungsverordnung (WertV) zugrunde.

Geringere Restnutzungsdauer = höhere AfA pro Jahr

Der Käufer machte daraufhin in seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2012 bis 2016 eine jährliche AfA des Gebäudes von 3,33 % als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung geltend. Das Finanzamt berücksichtigte demgegenüber lediglich einen AfA-Satz von 2 %, da das Gutachten weder eine kürzere technische Nutzungsdauer durch Darlegung eines materiellen Verschleißes der Rohbauelemente noch eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer im steuerrechtlichen Sinn belege. Die Ermittlung der Restnutzungsdauer im Sinne der WertV sei auf die steuerrechtliche Restnutzungsdauer nicht übertragbar, da sie nicht im Zusammenhang mit der gesetzlichen Typisierung der AfA-Regelung stehe. Dieser Auffassung erteilte das Finanzgericht nun – auch unter Berufung auf das vorgenannte BFH-Urteil – eine krachende Absage. Die fundierten Ausführungen des Sachverständigen anhand der Wertermittlungsverordnung (WertV) reichten aus, eine von der gesetzlichen Typisierung abweichende geringere Restnutzungsdauer von 30 Jahren zu belegen, befanden die Münsteraner Richter.

Fall 2: Abfindung für die Mieter zählt als Herstellungsaufwand

Abfindung für die Mieter zählt als Herstellungsaufwand Die AfA spielte in unserem zweiten Fall – wiederum vom Finanzgericht Münster entschieden – ebenfalls eine wichtige, wenn auch nicht die entscheidende Rolle. In dem Fall hatte eine GbR, deren Gesellschaftszweck die Vermietung von Grundstücken ist, eine denkmalgeschützte Immobilie mit vier Wohnungen erworben. Der Kaufpreis lag bei 1,2 Millionen Euro. In den beiden Jahren nach dem Erwerb renovierte die GbR die Immobilie grundlegend für rund 615.000 Euro. Um die früheren Mieter zum vorzeitigen Auszug zu bewegen und die Renovierungsarbeiten dadurch einfacher zu gestalten, zahlte die Klägerin Mieterabfindungen in Höhe von insgesamt 35.000 Euro. Diesen Betrag machte sie als sofort abzugsfähige Werbungskosten geltend. Das Finanzamt behandelte die Abfindungen dagegen als anschaffungsnahe Herstellungskosten. Diese müssten über die Nutzungsdauer des Gebäudes (in der Regel 50 Jahre) im Wege der AfA (Absetzung für Abnutzung) geltend gemacht werden.

Das Finanzgericht Münster bestätigte diese Auffassung (FG Münster, Urteil vom 12. November 2021, Az. 4 K 1941/20 F). Es entschied, dass an Mieter gezahlte Abfindungen für die vorzeitige Räumung der Wohnungen zum Zweck der Durchführung von Renovierungsmaßnahmen zu anschaffungsnahem Herstellungsaufwand führen (gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG).

Es zählen nicht nur Baukosten im technischen Sinne

Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach geltender Rechtslage nämlich auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen (netto) 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Der Wortlaut der Vorschrift hierzu sei so gefasst, dass als Aufwendungen „für“ Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen nicht nur Baukosten im technischen Sinn in Betracht kämen, so das Gericht. Vielmehr reiche ein unmittelbarer Zurechnungs- bzw. Veranlassungszusammenhang zu der baulichen Maßnahme aus.

„Für dieses weite Verständnis sprach in den Augen der Richter der Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach die Renovierung einer Immobilie unmittelbar nach deren Erwerb steuerlich mit dem Erwerb einer bereits renovierten und damit teureren Immobilie gleichgestellt werden soll“, erläutert Steuerberater Wolfgang Dill. Im Fall einer bereits erfolgten Renovierung hätten sich die vom Verkäufer dazu getragenen Mieterabfindungen schließlich in einem höheren Kaufpreis niedergeschlagen. Wäre eine Differenzierung danach erforderlich, ob Aufwendungen unmittelbar für eine bauliche Maßnahme aufgewendet werden, könne der mit der typisierenden Regelung verfolgte Zweck der Rechtsvereinfachung und -sicherheit nicht erreicht werden.

15%-Grenze in Bezug auf die Anschaffungskosten klar überschritten

Unter Einbeziehung der weiteren Renovierungskosten sei die im Gesetz genannte 15%-Grenze in Bezug auf die Anschaffungskosten des Gebäudes klar überschritten. Die Abfindungen seien auch unmittelbar durch die Renovierungsmaßnahmen veranlasst, weil diese durch den Auszug der Mieter schneller und einfacher durchzuführen gewesen seien. Das Finanzgericht hat aber hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Weiterführende Links

  • Eine kritische Stellungnahme zum Urteil des Finanzgerichts Münster und zur Bewertung von Mieterabfindungen gibt es etwa vom Immobilienverband Deutschlands (ivd), die Sie hier nachlesen können.
  • Weitere interessante Urteile rund um Abstandszahlungen an Mieter für deren vorzeitigen Auszug können Sie hier nachlesen.

Fall 3: Entschädigung für den Eingriff in das Grundstück

Entschädigung für den Eingriff in das Grundstück „Beim Neubau eines Gebäudes schreiben die Landesbauordnungen oder die Stellplatzverordnungen der meisten Städte und Gemeinden vor, an die Schaffung einer ausreichenden Anzahl von Parkplätzen zu denken“, weiß Steuerberater Wolfgang Dill aus Limburg. Gerade bei Mehrfamilienhäusern in Innenstädten kann das aber schnell zum Problem werden. Eine mögliche Lösung stellt dann der Bau einer Tiefgarage dar.

Damit wollte sich auch der Bauträger beim Abriss und Neubau eines Bestandsgebäudes helfen. Allerdings war auf dem Grundstück selbst nicht genügend Platz für die Bauarbeiten an einer Tiefgarage. Zumindest ein Teil der Aushub- und Stützarbeiten hierfür betrafen das Nachbargrundstück. Also traf die Projektgesellschaft eine Vereinbarung mit dem Eigentümer dieses Grundstücks. In deren Rahmen zahlte die Gesellschaft rund 150.000 Euro an ihn, als pauschale Entschädigung für den Eingriff an seinem Grundstück. Der Eigentümer behandelte diese Zahlung als veräußerungsähnlichen, nicht steuerbaren Vorgang.

Finanzamt wertete die Entschädigung als Einkünfte

Das Finanzamt wiederum berücksichtigte in seinem Einkommensteuerbescheid die Entschädigungsleistung als sonstige Einkünfte (gemäß § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz – EStG). Es handelte sich in seinen Augen nämlich um eine Nutzungsvereinbarung zwischen der Projektgesellschaft und dem Grundstückseigentümer. Dagegen klagte der Eigentümer. Die im Rahmen der Bebauung des Nachbargrundstücks angebrachten Bauteile –so genannte Verpressanker – würden auch nach Abschluss des Neubauvorhabens langfristig in seinem Grundstück verbleiben und müssten auch auf seine Kosten entfernt werden, argumentierte er. Die Entschädigungszahlung sei daher zum Ausgleich für diese von ihm zukünftig auf eigene Rechnung durchzuführenden Entsorgungsleistungen geleistet worden.

Diese Argumentation überzeugte das Finanzgericht München (FG München, Urteil vom 15. März 2021, Az. 7 K 2118/20). „Gegen die Annahme einer Nutzungsvereinbarung und der damit einhergehenden Zuordnung der Entschädigungszahlung zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sprach in den Augen des Finanzgerichts außerdem, dass die Verpressanker nach Durchführung der erforderlichen Baumaßnahmen wieder entspannt werden sollten und insoweit ihre Funktion verloren hatten“, resümierte Steuerexperte Dill aus Limburg. Es liege ebenso wenig ein Entgelt für ein „Dulden“ (der Baumaßnahme) vor.

Gericht berücksichtigte den Wertverlust des Grundstücks

„Die Richter hatten dabei durchaus auch die Zukunft im Blick“, zeigt sich der Limburger Steuerberater erfreut. Ein etwaiger Erwerber des Grundstücks würde schließlich die sich daraus ergebenden Konsequenzen bei seiner Preisbildung berücksichtigen und wegen der insoweit anfallenden Kosten nur einen niedrigeren Wert für das Grundstück zahlen. Insoweit liege eine dauerhafte Beschränkung des Eigentums des Klägers vor, stellte das Finanzgericht klar. Diese Minderung des Bodenwerts sollte mit der Entschädigungszahlung pauschalierend abgegolten werden.

Was können Sie tun?

Lassen Sie sich von einer Absage des Finanzamts nicht entmutigen!

Die hier vorgestellten Fälle zeigen, dass bei der steuerlichen Bewertung von Kosten rund um den Bau oder Erwerb einer Immobilie die Sachlage nicht immer ganz eindeutig ist. Lassen Sie sich daher von einem negativen Bescheid des Finanzamts nicht entmutigen. Gemeinsam können wir prüfen, ob ein Einspruch möglicherweise Sinn ergibt: kontakt/at/steuerberater-dill.de

Fotos: JeanLuc, svort, pictworks / alle AdobeStock