Ein aktueller Fall und eine Grundsatzfrage
DILL-NEWSLETTER 11/2023: Ein aktueller Fall und eine Grundsatzfrage
Der Säumniszuschlag – (nicht nur) eine Frage des Ermessens?
Das Finanzamt kann gegen säumige Steuerzahler einen Säumniszuschlag geltend machen. Er beträgt 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags – und zwar für jeden angefangenen Monat der Säumnis. Die Erhebung des Säumniszuschlages liegt im Ermessen des Finanzamts, übrigens ebenso wie dessen kompletter oder teilweiser Erlass. Das verdeutlicht ein Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg. Eine Etage höher, beim Bundesfinanzhof, ist man sich aktuell aber unsicher, ob die Höhe des Zuschlags überhaupt noch statthaft ist.
Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1% des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO). „Dies können also rechnerisch bis zu 12% im Jahr sein“, warnt Steuerberater Wolfgang Dill aus Limburg. „Allerdings kann das Finanzamt den Säumniszuschlag aus Billigkeitsgründen auch ganz oder teilweise erlassen“, ergänzt der Steuerexperte. Welche Voraussetzungen hierfür gelten, damit hat sich jetzt das Finanzgericht Berlin-Brandenburg befasst.
In dem Fall wurde Ende 2018 der Einkommensteuerbescheid der Kläger, eines Ehepaars, für das Jahr 2012 aufgrund einer Außenprüfung geändert. Das Finanzamt hatte von Amts wegen die Vollziehung der prinzipiell fälligen Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlags zunächst unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs ausgesetzt. Nach einigem Hin und Her sowie einer erneuten Änderung des Einkommensteuerbescheids 2012 endete schließlich die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das Ehepaar beantragte aber einen Erlass der Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen. Diesen lehnte das Finanzamt ab. Hiergegen richtete sich die Klage des Ehepaars.
Sie hatte vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg keinen Erfolg. Die Richter entschieden, dass die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme allein im Ermessen des Finanzamts liegt. Das Gericht könne hierauf keinen Einfluss nehmen. Es könne lediglich darüber entscheiden, ob die Ermessensgrenzen eingehalten wurden oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Säumniszuschläge können aus Billigkeitsgründen erlassen werden, wenn der Steuerpflichtige alles getan hat, um die AdV des Bescheids zu erreichen, der Antrag jedoch erfolglos war. Im Streitfall war dies nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben.
Bundesfinanzhof hält Höhe des Säumniszuschlags für angemessen – bislang
Derweil stellt sich die Frage, ob die Höhe des Säumniszuschlags (1% pro Monat) überhaupt noch zeitgemäß ist. „Schließlich erklärte das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2021 die Höhe der Zinssätze auf Steuerforderungen für verfassungswidrig“, ruft Steuerberater Dill in Erinnerung. Der VII. Senat des BFH hatte zu dieser Frage eine klare Haltung: Gegen die Höhe des Säumniszuschlags bestehen auch angesichts eines strukturellen Niedrigzinsniveaus keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH, Urteil vom 15. November 2022, Az. VII R 55/20 veröffentlicht am 30. März 2023).
Der Vergleich mit den Nachzahlungszinsen hinkt
Der BFH mochte bei seiner Entscheidung den Vergleich mit den Nachzahlungszinsen nicht zulassen. Dabei handele es sich schließlich weder um Sanktion noch Druckmittel, sondern um einen Ausgleich für die Kapitalnutzung. Der im Vergleich zu den Zinsen (vor der Neuregelung 6% p.a., nun 1,8% p.a.) doppelt so hohe Säumniszuschlag erfülle primär eine so genannte pönale Funktion – entfalte also eine strafende Wirkung angesichts nicht gezahlter Steuern. Dementsprechend bestehe zwischen Säumniszuschlägen und der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen (i. S. des §§ 233 ff. AO) kein systematischer Zusammenhang.
Und auch der X. Senat des Bundesfinanzhofs entschied später in ähnlicher Richtung (BFH, Beschluss vom 13. September 2023, Az. X B 52/23 (AdV); veröffentlicht am 26. Oktober 2023). Gegen die Höhe dieses Säumniszuschlags bestehen selbst für Zeiträume nach dem 31. Dezember 2018 keine verfassungsrechtlichen Bedenken, so der Senat.
BFH-Senate sind sich uneins
Zugleich meldeten aber der III., V. und VIII. Senat des BFH in anderen Verfahren durchaus Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge an. Sie bezogen sich zumindest auf deren Höhe, soweit die Zuschläge nach dem 31. Dezember 2018 entstanden waren. „Es besteht also nach wie vor höchstrichterlicher Klärungsbedarf“, ahnt Steuerfachmann Dill.
Was können Sie tun?
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