Grundstücksübertragung unter Zurückbehaltung eines Nießbrauchsrechts: Steuer-Stundung auch bei Schenkung möglich
DILL-NEWSLETTER 8/2021: Grundstücksübertragung unter Zurückbehaltung eines Nießbrauchsrechts
Steuer-Stundung auch bei Schenkung möglich
Je nach Art des Geschenks fällt die Begleichung der Schenkungsteuer dem Beschenkten nicht immer leicht – was tun, wenn schlicht das Geld fehlt? Das Finanzamt muss dann Geduld zeigen, wie eine Entscheidung des Finanzgerichts Münster verdeutlicht.
Auf den ersten Blick scheint es etwas widersinnig, aber eine Erbschaft oder auch Schenkung kann den bedachten Erben bzw. Beschenkten manchmal sogar in eine finanzielle Bredouille bringen. „Das gilt etwa beim Erwerb einer vermieteten Immobilie, wenn darauf Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer fällig wird“, weiß Steuerberater Wolfgang Dill aus seiner eigenen Beratungspraxis. „Natürlich erhält der Erwerber einen beträchtlichen Gegenwert, nur hat er die darauf erhobene Steuer nicht immer gleich ,flüssig’“, so der Steuerfachmann.
Das Dilemma erkennt der Gesetzgeber durchaus an und bietet im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz die Möglichkeit, die Steuer auf bis zu zehn Jahre zu stunden (§ 28 ErbStG). Diese Möglichkeit kann wohl auch im Rahmen einer Übertragung zu Lebzeiten unter Zurückbehaltung eines Nießbrauchrechts genutzt werden, wie ein Fall vor dem Finanzgericht Münster zeigt (FG Münster, Urteil vom 11. März 2021, Az. 3 K 3054/19 AO; Revision zugelassen).
Tante übertrug ihrer Nichte ein Mietwohngrundstück
In dem Fall ging es um eine Nichte, die von ihrer Tante ein Mietwohngrundstück geschenkt bekam. Die Tante behielt sich allerdings ein lebenslanges Nießbrauchsrecht hieran zurück. Das Finanzamt setzte für den Erwerbsvorgang gegenüber der Nichte zunächst Schenkungsteuer fest. Diese beantragte daraufhin die Stundung dieser Steuer (gemäß § 28 Abs. 3 ErbStG). Zur Begründung führte sie aus, dass sie wegen des Nießbrauchsvorbehalts keine Einnahmen aus dem erworbenen Grundstück erziele. Ferner verwies sie auf die geringe Höhe ihrer eigenen Einkünfte sowie die hohe Darlehensbelastung ihres Wohneigentums. Außerdem legte sie eine Bescheinigung ihrer Hausbank vor, wonach sie keinen weiteren Kredit erhalte.
Beschenkte pfändete Konto und nutzte Darlehen für Steuerschuld
Dem Finanzamt reichte das nicht aus, es lehnte die Steuer-Stundung ab. Schließlich sei eine Stundung bereits deshalb ausgeschlossen, weil ja auch die Tante zur Zahlung der Schenkungsteuer herangezogen werden könne. Nach dem erfolglosen Einspruch hiergegen klagte die Nichte. Sie verwies im Klageverfahren ergänzend auf die coronabedingte zeitweise Schließung ihres Blumengeschäfts. Darüber hinaus reichte sie eine Liquiditätsrechnung ein, wonach ihr im Jahr 2019 finanzielle Mittel in Höhe von knapp 5.000 Euro zur Verfügung standen. Das erworbene Grundstück könne sie nicht weiter beleihen, da dies dem Nießbrauch bzw. Übergabevertrag entgegenstehe. Die im Klageverfahren sogar noch heraufgesetzte Schenkungsteuer erbrachte sie aber zunächst – um eine Zwangsvollstreckung zu verhindern. Dazu nutzte sie eine Drittschuldnerzahlung aufgrund einer Kontopfändung und durch ein Darlehen ihrer Mutter.
Die Klage der Nichte hatte in vollem Umfang Erfolg. „Das Gericht gestand ihr einen Anspruch auf Stundung der Schenkungsteuer für einen Zeitraum von zehn Jahren zu“, berichtet Steuerberater Dill. Die Richter erkannten die Notlage der Klägerin an. Aus der Schenkung heraus hätte sie die Steuer nicht aufbringen können, weil sie das Grundstück nur unter Nießbrauchsvorbehalt und daneben kein weiteres Vermögen erhalten habe. Erwiesenermaßen reiche ihr eigenes Vermögen nicht für die Begleichung der Schenkungsteuer aus. Einen Kredit zu marktüblichen Bedingungen konnte sie bei ihrer Bank nicht erhalten. „Die Anforderungen an eine Stundung würden in den Augen des Gerichts schlicht überspannt, wenn ein Erwerber gehalten wäre, sich jenseits des üblichen Kapitalmarkts zu refinanzieren“, begrüßt Wolfgang Dill die lebensnahe Auffassung.
Vermögen des Schenkers für Stundungsansinnen irrelevant
Schließlich könne der Klägerin auch nicht entgegengehalten werden, dass die Tante für die Zahlung der Schenkungsteuer in Anspruch genommen werden könne. „Dies hätte im praktischen Ergebnis zur Folge, dass eine Steuer-Stundung bei einem Erwerb unter Lebenden fast immer ausgeschlossen wäre“, meint Steuerberater Dill. Die wirtschaftliche Situation des Schenkers sei für eine Stundung beim Beschenkten irrelevant, stellten auch die Richter klar. Letztlich muss nun aber noch der Bundesfinanzhof über den Sachverhalt entscheiden; hier ist die Revision des Falls anhängig.
Was können Sie tun?
Lassen Sie sich vom Finanzamt nicht entmutigen!
Im entschiedenen Fall hatte die Nichte als Klägerin die geforderte Erbschaftsteuer zunächst beglichen, um einer Zwangsvollstreckung zu entgehen. Damit hatte sich ihr Klageverfahren aber nicht erledigt, wie es das Finanzamt behauptete. Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin (§ 40 Abs. 2 FGO) bestand weiterhin, betonte das Finanzgericht. Denn ein die Steuer-Stundung ablehnender Verwaltungsakt erledigt sich nicht durch die Tilgung der Steuerschuld, deren Stundung begehrt wird. Diesen Grundsatz sollten Betroffene beachten und sich nicht von einer anderslautenden Mitteilung des Finanzamts entmutigen lassen. Wichtig ist, den eigenen Rechtsanspruch aufrecht zu erhalten. Wir bieten Ihnen dabei gerne Hilfestellung: kontakt/at/steuerberater-dill.de
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