Streit ums Betriebsfahrzeug: Fiat Doblo wertiger als ein Mercedes Benz?
DILL-NEWSLETTER 2/2020: Streit ums Betriebsfahrzeug: Fiat Doblo wertiger als ein Mercedes Benz?
Welche Faktoren für und gegen eine private Nutzung sprechen
Immer wieder kommt es rund um ein betriebliches Auto zum Streit mit dem Finanzamt. Im Vordergrund steht dabei die Frage nach einer (unterstellten) privaten Nutzung – die sich im Fall des Falles natürlich steuerlich auswirken würde. Welche Rolle der so genannte Anscheinsbeweis dabei spielen kann.
Einkommensteuer: Widerlegung des Anscheinsbeweises für eine private Kfz-Nutzung
„Das Steuerrecht ist eindeutig: Jede private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs muss versteuert werden“, stellt Steuerberater Wolfgang Dill aus Limburg klar. Allein das Vorhandensein eines betrieblichen Fahrzeugs bedeutet aber natürlich nicht zwangsläufig, dass es auch privat genutzt wird. „Nur geht das Finanzamt je nach Fahrzeugtyp genau davon aus“, weiß Dill. Wahrscheinlich nicht bei einem Kleintransporter, ziemlich sicher aber bei einem Sportwagen. Wo genau verläuft hier aber die Grenze? Über diese entscheidende Frage musste nun das Finanzgericht Niedersachsen befinden (FG Niedersachsen, Urteil vom 19. Februar 2020, Az. 9 K 104/19).
Mercedes gegen Fiat
In dem Fall ging es um die Klage einer im Straßenbau tätigen GmbH, in deren Anlagevermögen sich ein neuer Pkw der Marke Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet befand, also ein so genannter Kastenwagen. Privat fuhr der (alleinige) Kommanditist der GmbH einen über 15 Jahre alten Mercedes Benz C 280 T. Für den Fiat führte er kein Fahrtenbuch, ein privater Nutzungsanteil wurde nicht erklärt.
Das Finanzamt gelangte nun im Rahmen einer Betriebsprüfung zu der Auffassung, dass eine private Nutzung wegen fehlender Fahrtenbücher nicht ausgeschlossen werden könne. Daher sei die so genannte 1-%-Regelung zwingend anzuwenden. Das Finanzamt forderte über 2.000 Euro Steuern von der GmbH nach.
Finanzamt führte den Anscheinsbeweis ins Feld
Dagegen klagte die GmbH. „Eine entscheidende Rolle in dem Fall spielte der so genannte Anscheinsbeweis“, erklärt Steuerexperte Dill. Das Finanzamt führte genau einen solchen Anscheinsbeweis ins Feld. Es stellte dabei auf eine (unterstellte) Wertigkeit der beiden Fahrzeuge ab. Dazu zählte es die einzelnen Ausstattungsmerkmale des Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet auf. Das Finanzamt verwies unter anderem auf das variablere Sitzkonzept, das größere Kofferraumvolumen, die neuere Technologie sowie die höheren Sicherheitsstandards gegenüber dem alten Mercedes. Auch fehlte die (sonst bei Werkstattwagen oft typische) Verblendung der hinteren Seitenfenster.
Die GmbH argumentierte dagegen, dass es sich bei dem Fiat Doblo um einen Kastenwagen handele, der insbesondere bei Handwerksbetrieben als Firmenfahrzeug sehr verbreitet sei. Im Kofferraum des Fahrzeugs sei ständig eine große Werkzeugkiste untergebracht, für deren Verstauung grundsätzlich ein Teil der Rücksitzbank umgeklappt werden müsse. Bei den Fahrten am Morgen und am Abend sei neben dem Kommanditisten immer ein Mitarbeiter mit im Fahrzeug. Bereits aus diesen Gründen sei auf diesen Fahrten eine Nutzung für private Zwecke ausgeschlossen.
Wo liegen die Unterschiede in der Wertigkeit?
Des Weiteren stehe dem (alleinstehenden) Kommanditisten für private Zwecke ein privates Fahrzeug zur Verfügung, das gegenüber dem Firmenfahrzeug aus Sicht der GmbH als höherwertig anzusehen sei. Zu Unrecht habe das Finanzamt den Ansatz der 1-%-Regelung ausschließlich damit begründet, dass der private Mercedes Benz mit dem betrieblichen Fiat Doblo nicht evident gleichwertig wäre in Bezug auf Status und Gebrauchswert. Auf keinen Fall könne der private Mercedes Benz C 280 T aufgrund des Alters und der Laufleistung als minderwertig eingestuft werden. Insgesamt sei dessen Ausstattung wesentlich besser.
„Einige der angesprochenen Fragen können sicherlich nur nach persönlicher Vorliebe beantwortet werden“, sagt Steuerberater Dill. Überhaupt spielte in der Entscheidung weniger die buchstabengetreue Auslegung des Gesetzes die ausschlaggebende Rolle als vielmehr die – auch von Richtern oft zitierte – „allgemeine Lebenserfahrung“. Diese spreche laut Gericht auch dann für eine private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs, wenn dem Steuerpflichtigen zwar für private Fahrten ein Fahrzeug zur Verfügung steht, aber dieses Fahrzeug dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert nicht vergleichbar ist.
Gebrauchswert und Status eines Fahrzeugs
Unter dem Aspekt des Status eines Fahrzeugs sind vornehmlich Prestigegesichtspunkte zu berücksichtigen. Unter Gebrauchswert ist – nach dem Wortsinn – der Wert einer Sache hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit, ihrer Eignung für bestimmte Funktionen und Zwecke zu verstehen, mit anderen Worten: der Nutzwert. „In diesem Zusammenhang können Umstände wie Motorleistung, also PS, Hubraum, Höchstgeschwindigkeit und Ausstattung Berücksichtigung finden“, erläutert Wolfgang Dill.
„Je geringer die Unterschiede zwischen den Fahrzeugen ausfallen, um so leichter ist der für eine private Nutzung sprechende Anscheinsbeweis zu erschüttern“, so der Limburger Steuerberater. So auch in diesem Fall: Der für eine Privatnutzung des Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet sprechende Anscheinsbeweis ist im Streitfall deshalb erschüttert, weil nach Überzeugung des Gerichts für Privatfahrten mit dem Mercedes Benz C 280 T ein in Status und Gebrauchswert mindestens vergleichbares Fahrzeug zur alleinigen Verfügung des Kommanditisten stand.
Was können Sie tun?
Treten Sie im Fall des Falles nur gut vorbereitet den Gegenbeweis an!
Der Beweis des ersten Anscheins kann nach der Rechtsprechung durch den so genannten Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils zwar nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung des betrieblichen Kfz nicht stattgefunden hat. Aber: Es reicht auch nicht, einfach nur zu behaupten, für privat veranlasste Fahrten habe ein privates Fahrzeug zur Verfügung gestanden. Dadurch wird der Anscheinsbeweis im Regelfall noch nicht erschüttert.
Erforderlich ist vielmehr, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt. Im besten Fall ist das ein Fahrtenbuch. Welche anderen Möglichkeiten es gibt, klären wir mit Ihnen gerne in einem persönlichen Beratungsgespräch: kontakt/at/steuerberater-dill.de Foto: Artinun /AdobeStock